The Horrors – Night Life

Stillstand war noch nie die Sache von The Horrors. Auf ihrem mittlerweile sechsten Studioalbum geht es jedoch in vielerlei Hinsicht zu etwas anderen Ufern. Von den Gründungsmitgliedern sind einzig Sänger Faris Badwan und Bassist Rhys Webb weiterhin an Bord, das Line-up wurde in den letzten Jahren sukzessive umgebaut, zugleich wollte man den vergleichsweise rohen Ansatz früherer Werke wiederbeleben. Dabei verzichtete man keinesfalls darauf, in den neueren Gefilden der letzten Platten zu wildern, bloß noch schroffer. Auf „Night Life“ verlassen sich die Briten mehr denn je auf Elektronik, auf donnernde Beateske und unterkühlte Stimmung mit Post Punk- und Gothic-Einschlag.
Tracks wie „Silent Sisters“ schlagen die Brücke zwischen Alt und Neu, suchen nach Verbindungen und kämpfen sich aus dem leeren, zugleich überfüllten Raum heraus. Gothic- und Noir-Atmosphäre, krachender Post Punk und brütende, zermürbende Schwere schlagen aufs Gemüt, torpedieren letzte hoffnungsvolle Stimmungsreste mit verzweifeltem Mute, jedoch selbstbewusst vorgetragen. „Lotus Eater“ wagt sich hingegen weiter denn je hinaus, traut sich sieben Minuten lang in den Club, tummelt sich jedoch in düsteren Ecken und hofft auf Nebelschwaden. Gelegentlich fühlt man sich an die EBM-Ausritte früherer Covenant erinnert, so stoisch wie unterkühlt vorgetragen, nur um im nächsten Moment technoiden Synth-Pop serviert zu bekommen.
Während dieser Spagat noch nachhallt, bewegt sich „More Than Life“ in eher konventionellen Indie-Gefilden, lässt die Gitarren für sich sprechen und schüttelt einen schwelgenden, nach wie vor melancholischen Ohrwurm aus dem Ärmel, der selbst im Langformat funktioniert. „L.A. Runaway“ mag es ebenfalls etwas lauter und direkter, nimmt eine feine Hook mit und verbindet den drastischen Elektro-Ansatz mit Alternative-Charme. Hingegen wirkt „Trial By Fire“ in seiner verzerrten Direktheit stellenweise wie Dark Rock mit Industrial-Nebengeschmack – gewiss gewagt, gewiss unterhaltsam und doch hymnisch. Hingegen lässt sich „Ariel“ durch Finster-Pop-Welten treiben und fühlt sich dort hörbar wohl.
Der obligatorische Schock einer neuen Horrors-Platte hallt dieses Mal etwas länger nach, wagt sich der synthetisch-technoide Ansatz doch gerne mal – selbst für Band-Verhältnisse – verdammt weit hinaus. Und doch klappt gerade das recht gut, wenngleich eine gewisse Eingewöhnungsphase sicher hilfreich ist. „Night Life“ fühlt sich tatsächlich in der Dunkelheit der Nacht wohl und kostet diese in all ihren Facetten aus. Post Punk und Gothic Rock kennt man von den Briten bereits, ebenso den Hang zu Synthetik und die alten Indie-Gitarren, doch wird all das deutlich schroffer und druckvoller, gerne mal clubbig präsentiert, dann mit Industrial-Schlagseite, ja sogar verträumt und verwaschen. Mehr von allem, fast überfordernd und zugleich unheimlich charmant – The Horrors bleiben auch nach 20 Jahren aufregend und verdammt stark.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 21.03.2025
Erhältlich über: Fiction Records / Virgin Music (Rough Trade)
Website: www.thehorrors.co.uk
Facebook: www.facebook.com/horrorsofficial