Anxious – Bambi

Nach dem Release ihres starken ersten Albums „Little Green House“ gingen Anxious erst einmal zwei Jahre lang auf Tournee. Unter umjubelte Konzertreisen mischten sich jedoch Zweifel. So spielte Sänger Grady Allen mit dem Gedanken, den College-Abschluss nachzuholen, was innerhalb der Band für Spannungen sorgte und sogar einen Bruch in den Raum stellte. Eine Tour durch Asien und die USA brachte Anxious zurück ins Gleichgewicht, im Studio erkämpfte man sich das Vertrauen zurück. Zugleich zeigt sich „Bambi“, ein ursprünglich angedachter Bandname in jugendlichem Übermut, im besten Sinne größer und erwachsener, durch die kleinen und großen Krisen gestärkt.
Das bezaubernde „Counting Sheep“ zählt zu den Schlüsselsongs dieses Albums, öffnet alten und neuen Gefühlswelten Tür und Tor. Unruhige Gitarren, gerne mal etwas bissigere Vocals sowie eine fokussierte und zugleich unruhige Rhythmusabteilung wagen den Aufbruch, bewegen sich irgendwo zwischen wohliger Wärme und beißenden Kanten. Davon hat auch das eröffnende „Never Said“ mehr als genug im Gepäck. Der stete Unruheherd versieht klassische Emo-Klänge mit Punk-Charme, immer in Bewegung, weiter wachsend und zugleich ein intimes Kunststück, das seine nervöse Energie in mächtige Druckwellen umwandelt.
Hingegen glänzen Songs wie „Tell Me Why“ durch dichte Texturen, nahezu poppige Harmonien und sympathische Retro-Weisheiten, die aus dem Stand einen großen Ohrwurm-Refrain aus dem Ärmel schütteln und sich damit sofort einbrennen. Eine weitere Neuerung ist die Reduktion von „Audrey Go Again“, das mit akustischen Stilmitteln arbeitet, dabei nach wie vor große Emotionen erzeugt und sich dennoch auf das Wesentliche konzentriert. Abschließend hat „I’ll Be Around“ etwas von einem losen Versprechen, flattert entsprechend leichtfüßig durch die Szenerie und gibt sich im richtigen Moment dennoch energisch. Die Unverbindlichkeit der feinsinnigen Melodien fährt durch Mark und Bein.
Anxious entwickeln sich gekonnt weiter und brauchten offensichtlich diese kleine Krise, um nach vorne zu kommen. Ein kleiner, unbequemer Einschnitt brachte „Bambi“ auf Kurs und entpuppte sich letztlich als wertvoller Motor für eine tolle Band, die sich erst erneut finden musste. So hört man einerseits die Erfahrung der letzten Touren, eine weiter eingespielte Truppe, die mit erstaunlicher Kraft vorangeht. Zugleich setzt es weitaus mehr Gefühl, Fragilität, Intimität. Gewachsene Songwriter setzen sich mit erstaunlicher Ehrlichkeit mit dem Selbst und der Umwelt auseinander – ein Klischee, das jedoch selten so zutreffend war wie jetzt. Aus dem Beinahe-Untergang entspringen deutlich stärkere Anxious, die an die Pforte der Großartigkeit klopfen.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 21.02.2025
Erhältlich über: Run For Cover Records (Cargo Records)
Website: www.anxiousband.com
Instagram: www.instagram.com/wereanxious