Kratzen – III
Kann sich ein Kreis als Dreieck schließen? Kratzen stellen diese Frage nicht und beantworten sie natürlich keinesfalls. Und doch runden sie ihren Sound mit ihrem nun dritten Album ab, wiewohl dieses gerne mal die nächste, finale Ecke besagter geometrischer Form beschreibt. Das liest sich abstrakt, passt wiederum zum Klang, der in seiner konkreten Präsentation schon mal ganz weit weg wirkt. Noch Fragen? Hoffentlich nicht, denn auch ohne pythagoräische Formenlehre zwirbeln sie ihr musikalisches Happening weiter, unaufgeregt und doch so bestimmt. „III“ denkt Kraut und Wave weiter, butterweich und subtil, doch stets voller Herz und Hirn.
Einer dieser alten, neuen, frischen und doch vertrauten Bald-Klassiker ist „Zeichen“, so sanft und anmutig wie getrieben. Die motorische Rhythmusabteilung kennt nur eine Richtung, darüber ruhen flirrende Gitarren und tief ins Arrangement eingebettete Vocals, das erste Duett der Bandgeschichte. Davon darf es gerne mehr geben, wenngleich es auch solo – wie Stefanie Staub im famosen „Nur so“ – auch prima funktioniert. Wie der Song in Richtung Refrain regelrecht aufblüht und mit einer dicken Portion Pop überrascht, ohne auch nur im Geringsten vom Kratzen-Sound abzuweichen, ist ganz großes Kino.
Geht „Du“ eigentlich auch als cineastische Großtat durch? Die drückende Präsentation mit Post-Punk-Einschlag bietet großen Unterhaltungswert, der Gesang kämpft gegen die dominanten Drums an, während mehrere kleine Varianzen und Formveränderungen das Seelenleben torpedieren. Bei so viel kreativem „Reichtum“ darf auch mal eine krautig-psychedelische Gitarrenfanfare drinnen sein, die sich mit wachsender Begeisterung häutet, sich scheinbar selbst im Weg steht und gerade durch diese reduzierte wie forcierde Deutlichkeit richtig stark rüberkommt. Ist „Echo“ nicht schon Indie? Ganz egal, merkt man, denn diese gut zweieinhalb Minuten sind für die Ewigkeit.
Und diese Ewigkeit dauert an, während die Dreiecktur des Kreises im Quadrat rotiert. Waren die Vorgänger bereits richtig unterhaltsam, so erklimmen Kratzen dieses Mal im besten Sinne ein neues Level, haben ihren Sound gefunden und reizen diesen mit wachsender Begeisterung, gefühlt in sämtliche Himmelsrichtungen gleichzeitig, so richtig aus. „III“ reitet den Dynamo mit wachsender Begeisterung, grüßt die eierlegende Wollmilchsau und legt viele packende Ideen drüber. Kraut, Wave, etwas Post Punk und Psych, dazu Indie – ganz viel Vertrautes und angenehm Neues mischen mit, sogar ein Hauch Pop. In anderen Worten: Kratzen werfen schon jetzt den Hut in den Ring für die Bestenlisten am Jahresende.
Wertung: 4,5/5
Erhältlich ab: 17.01.2025
Erhältlich über: Eigenvertrieb
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