Goblyn – Stray

Goblyn
(c) Goblyn

Zwei Hamburger zeichnen ein beklemmendes Bild von ihrer Umwelt: Knapp vier Jahre nach dem Release ihrer ersten Single wagen sich die zum Duo geschrumpften Goblyn an ein komplettes Album. Der drückende, alles einnehmende Post Punk lebt von emotionalen Extremen, kämpft mit Isolation und Kummer ebenso wie mit Druck und Größenwahn. Das äußert sich auch im unberechenbaren Sound, dessen kleine Wendungen und mächtige Druckwellen etatmäßig durch Mark und Bein fahren. „Stray“ wohnt in einer Stadt, die dem Untergang geweiht scheint, und versucht sich mit den Ellbogen aus der engen Umklammerung zu befreien.

Ein schweres Gewicht, ein „Weight“, liegt auf der Brust und wird gar verwirrend umgesetzt – tanzbar und flirrend auf der einen, unfassbar drückend auf der anderen Seite. Diese nervöse Hibbeligkeit steht Goblyn wunderbar zu Gesicht, wobei es letztlich die vielen kleinen Nuancen sind, die einen guten Song in der zweiten Hälfte abheben lassen. Im Vergleich dazu wirkt der Vorbote „Morsleben“ ruhig und unterkühlt, bewegt sich nur schleppend voran, bevor eine verführerisch tanzende Gitarre mal eben bei Interpol andockt, während die Vocals nach dem obligatorischen Weg nach vorne suchen. Im beklemmenden Wirrwarr wird der Wahnsinn des Seins greifbar gemacht.

Wundervolle Reduktion mit feinem Gothic-Touch setzt es in „Ego“, dessen Rhythmusabteilung zur gemächlichen Triebfeder reift und zentnerschwere Lasten auf die Brust legt. Dass „Smooth“ wirklich (halbwegs) so klingt, wie es der Titel vermuten lässt, überrascht. Butterweiche Texturen mit einer Art post-romantischen Verklärung kommt ähnlich gut wie das verwaschene Langformat von „Fright“, das tatsächlich Angst und Bange macht, während das Duo durch emotionale Untiefen schleicht. Zu brav? „Ratfight“ holt Noise und anstrengende Schleifen in den Mix, eskaliert am Stand und brennt sich im Kleinhirn ein.

Fatalistisch, dystopisch und doch irgendwie mitreißend: Der konstante Kampf mit einer Stadt, die sich inmitten gefühlter Selbstauflösung befindet, fährt durch Mark und Bein. „Stray“ ist eine gefinkelte Platte geworden, die sich in existenzieller Unvorhersehbarkeit wie zuhause fühlt und dabei auf fast unmerkliche Weise um sich schlägt. Goblyn nehmen die düstere, schroffe und abweisende Seite des Post Punk als Impuls für gekonnte Meditationen und Variationen, deren Schwere sogar Bauhaus-Neubauten einstürzen lassen könnte. Der präzise Bruch reift zum Stilmittel, das Mäandern zur magischen Geheimwaffe – ein mächtiger Einstand, an dem sie sich künftig messen lassen müssen.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 24.01.2025
Erhältlich über: La Pochette Surprise Records (Membran)

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