White Denim – 12
Für James Petralli war die Pandemie, wie für so viele andere Kunstschaffende auch, eine Zeit großer Veränderungen. Er zog mit seiner Familie nach Los Angeles, kümmerte sich ums Homeschooling und erschloss später andere Betätigungsfelder. So arbeitete er am Soundtrack der Amazon-Prime-Serie „Daisy Jones And The Six“, wurde zum bezahlten Songwriter for Hire und feilte nebenher an seinen Produzententätigkeiten. Nun meldet sich seine Band White Denim zurück, erstmals komplett in Eigenregie produziert und durch die Möglichkeiten digitaler Bearbeitung aus der Komfortzone ausbrechend. Noch nie war es für Petralli so einfach, mit verschiedenen Musikern aus dem ganzen Land zusammenarbeiten. „12“ hört man diese Spielfreude an.
Einer dieser bunten, lebhaften Songs ist „Look Good“. White Denim holen sich Funk, Pop und 80s-Chic hinzu, begleitet von gleich zwei starken Stimmen – Tameca Jones aus der alten texanischen und Jessie Payo aus der neuen kalifornischen Heimat. Der vorwitzige, tanzbare und pulsierende Track geht mindestens so schnell ins Ohr wie das gemeinsam mit Finom eingespielte „Swinging Door“. Hinter diesem scheinbar luftigen, souligen Song verbergen sich jedoch gewalttätige Abgründe, die „Flash Bare Ass“ an anderer Stelle aufgreift und sich Trolling widmet. Auch hier fällt der Sound eher verspielt bis verschmitzt aus.
Das Spiel mit der Text-Klang-Schere beherrschen White Denim seit jeher, toben sich hier noch weiter aus. In „We Can Move Along“ regiert hingegen die Hoffnung, dass Liebe und Beziehungen lange überleben können, komplett abgedrehtes Bläser-Finale inklusive. Der fieberhafte Opener „Light On“ spielt hingegen mit bestens bekannten psychedelischen Motiven und drängt diese in charmante Pop-Gefilde, kunterbunt und bei aller Übertreibung doch so herrlich introvertiert. Danach zieht „Ecolining“ erst einmal das Tempo an, überschlägt sich selbst und geht ebenso wenig aus dem Ohr wie das kräftig mit Soul und RnB flirtende „Hand Out Giving“, begleitet von Erick Slick und Jared Samuel.
Der Mut, Neues zu versuchen und Dinge auf eigene Beine zu stellen, lohnt sich für White Denim hörbar. Wenig überraschend gibt es keinerlei Stillstand, sondern eine weitere zarte Neuausrichtung, die auf Bewährtes zurückgreift und alles in einen frischen Kontext setzt. „12“ macht das Dutzend starker Platten voll und klingt selbst in finstersten, niedergeschlagenen und ernsten Momenten lebendig, voller Energie und Leidenschaft. Wieder mal anders, wieder mal verdammt gut, wieder mal in einer komplett eigenen Welt: James Petralli führt White Denim souverän zu alten, neuen Ufern.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 06.12.2024
Erhältlich über: Bella Union (Rough Trade)
Website: whitedenimmusic.com
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