Thank – I Have A Physical Body That Can Be Harmed
Wenige Bands schaffen es, den Wahnsinn des Alltags so exquisit auf Platte zu bannen wie Thank. Die Truppe aus Leeds erspielte sich mit ihrem ersten Album sowie diversen Kleinformaten ein kleines, aber sehr feines Publikum, das den zynischen, unbequemen und unberechenbaren Post Punk zu schätzen weiß. Bitterböse Auseinandersetzungen mit kleinen und großen persönlichen sowie gesellschaftlichen Themen, begleitet von einem nicht minder komplexen Sound, der gerne mit Noise Rock, aber auch mit beatesker Tanzbarkeit arbeitet – so funktioniert fokussierte Überforderung. Mit ihrer zweiten Platte „I Have A Physical Body That Can Be Harmed“ landen sie nun bei Big Scary Monsters.
Zwei kurze, erstaunlich pointierte und doch unorthodox aufgezogene Tracks illustrieren den sympathischen Wahnsinn dieser Platte. Die Gammon-Torpedierung „Woke Frasier“, die unheimliche Klänge mit Sprechgesang koppelt und Twitter-Brainrot mit geradezu chirurgischer Präzision einfängt, fährt durch Mark und Bein, lädt ebenso zum Tanzen ein. „Down With The Sickness“ hat wenig mit Disturbed zu tun, lernt dafür nicht aus den eigenen Fehlern der Vergangenheit. Thank ziehen das Persönliche aus der Nase und legen es auf das große Ganze um – ein einfacher wie kompetenter Kunstgriff, der inmitten noisiger Eskalation die vollkommene Überforderung aufs Tableau holt.
Die wütenden Schleifen von „Writing Out A List Of All The Names Of God“ bearbeiten die Tanzfläche mit der Spitzhacke und zerlegen den Status Quo mit betonter Atemlosigkeit. Im Vergleich dazu wirkt „The Spores“ fast schon entspannt – bei einer Spielzeit von sieben Minuten kein Wunder. Und doch trügt der Schein, denn immer wieder bricht es förmlich aus den Briten heraus, eskalieren sie am Stand, voller Gift und Galle. Speziell die noisige zweite Hälfte, die in sich zusammenbricht, ringt Respekt ab und verursacht Kopfschmerzen. Dann doch lieber schnell etwas „Control“ herstellen, wobei das Verharren im Vorhof der Post-Punk-Hölle prima an den Nerven zehrt. Und dieses Finale erst!
Geduld ist eine Tugend, die man für dieses Album neu erlernen muss, vom nötigen Sitzfleisch ganz zu schweig en. Rein gedanklich und konzeptuell sind Thank gefühlt stets zehn Schritte voraus, und so braucht es den einen oder anderen Durchlauf, um sich die kniffligen Synergien von „I Have A Physical Body That Can Be Harmed“ zumindest halbwegs zu erarbeiten. Das schreckt zunächst vielleicht ab, keine Frage, lohnt sich aber absolut. Mit ihrem zweiten Album ringen die Herren aus Leeds ihrem Post Punk-Ansatz kauzige, eindringliche Facetten ab, geben sich giftig und sprechen wichtige Dinge angenehm klar an, selbst wenn das gerne mal umständlich geschieht. Das mag ein undankbarer Job sein, für Thank ist er aber ein spektakulär Leichtes.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 08.11.2024
Erhältlich über: Big Scary Monsters (Membran)
Facebook: www.facebook.com/thankleeds