Gurriers – Come And See

Gurriers
(c) No Filter

Schon wieder Post Punk, schon wieder Irland: Während Fontaines D.C. längst in gänzlich anderen Sphären schweben, leisten Gurriers Nachfolgearbeit. Das Quintett aus Dublin verfolgte offenkundig die Entwicklung des jüngsten britisch-irischen Post-Punk-Revivals vor wenigen Jahren genauestens und verschreibt sich gerne mal lauten, stets bestimmten Tönen. Während die vorige Generation inzwischen bevorzugt etwas braver und experimenteller unterwegs sind, langen Gurriers beherzt zu und sehen eine Rückkehr des Klassenkampfs inmitten einer Gesellschaft, die sich in einer Art post-apokalyptischem Zerfall befindet. Das erste Album „Come And See“ räumt herzhaft ab.

Das eröffnende Doppel deckt den Sound recht gut ab. Erst fällt „Nausea“ mit der Tür ins Haus und verursacht tatsächlich Übelkeit. Der noisige, bewusst rüpelhafte Einschlag kommt gut, die Vocals nölen sich mitten ins Herz und machen immer wieder Platz für die endlose Hektik des Seins, die sich selbst beim feinsten Ansatz einer Hook direkt überschlägt. „Des Goblin“ betont hingegen eine gewisse Coolness, die die Tanzschuhe nur bei unterkühlten Bedingungen findet. Ein regelrechter Klangwall drückt mit wachsender Begeisterung an die Wand, während Dan Hoff einen Schwall an Silben auf die geneigte Hörerschaft einprasseln lässt. Wie man sich aus dem kurzen Innehalten zurückarbeitet, ringt Respekt ab.

Während man sich über diese Rastlosigkeit noch wundert, schlägt „Top Of The Bill“ ganz andere Töne an und erinnert gerne mal an die irischen Landsleute. Die Gitarre brennt sich ein, das mit Hall und Gaze-Gestik beladene Arrangement taucht tief in Richtung sehnsüchtige Entfremdung ab. Zurück zum Wow-Effekt: „Approachable“ gibt sich wild, brutal, schlägt konzentriert um sich und bemüht dabei einen bizarren Boogie, dem man sich kaum annähern kann. „Prayers“ wechselt im XL-Format abermals die Vorzeichen. Ist das schon Resignation oder wird der Papst tatsächlich zur tragischen Figur? Eine aufwühlende Zäsur liefert keine Antworten. Hingegen steuert „Sign Of The Times“ ohne Umwege auf den Hit zu und beißt sich binnen Sekunden fest – es kann manchmal so einfach sein.

Gurriers zocken Post Punk, nicht weniger und doch so viel mehr. „Come And See“ als Rückholaktion für die lärmenden, kritischen Wände von Idles oder eben Fontaines D.C. abzutun, ist zwar nicht gänzlich verkehrt, würde dieser famosen Platte aber nicht im Ansatz gerecht werden. Ja, die lauten und drastischen Tracks drängen sich freilich in den Vordergrund, das lässt sich auch kaum vermeiden, doch bleibt das letztlich nur eines von vielen Rädchen, die auf diesem Einstand ineinandergreifen. Speziell im Langformat, im Zäsur-Auge des Sturms, aber auch im Herzen der Tanzbarkeit zeigen sich die Iren verdammt stark. Der Anfang wäre gemacht – ob sie die Reise ebenso in experimentell-versöhnliche Gefilde führen wird?

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 13.09.2024
Erhältlich über: No Filter / [PIAS] (Rough Trade)

Website: gurriers.net
Facebook: www.facebook.com/gurriersband