Grundeis – Every Second An Ocean

Grundeis
(c) Caroline Harder

Bloß kein Geheimtipp mehr sein, das hätten sich Grundeis eigentlich schon vor drei Jahren verdient, als ihr erstes Album „Amygdala“ erschien. Die bekömmliche Düsternis wurde positiv aufgenommen und brachte in weiterer Folge mehr als 100 Konzerte und Festival-Auftritte mit sich, zudem musste die vergriffene Platte erst kürzlich neu aufgelegt werden. Und jetzt? Zeigt das Quartett dem schweren zweiten Album den Stinkefinger, streckt sich musikalisch deutlich und erreicht damit Großes: „Every Second An Ocean“ entwächst den Post-Punk-Wurzeln mehr und mehr, ohne sich der Beliebigkeit hinzugeben, und überzeugt durch süßlich-melancholisches Selbstbewusstsein.

Das zeigt alleine schon ein Blick auf die Tracklist: 14 Tracks, fast 65 Minuten Spielzeit, und doch kein einziger Durchhänger. „Strange“ ist das allemal, wiewohl besagter Song die besondere Stimmung dieses Zweitlings gekonnt einfängt und nicht zum letzten Mal entfernt an sich auflösende Cure erinnert. Grundeis versuchen aber keinesfalls, den Smith zu imitieren, und verleihen ihren betont ausladenden Klangflächen eine ganz besondere Würze, mit Gaze, mit Pop, aber auch mit etwas Noise inmitten balladesker Ausritte. Davon hat „As Close As It Gets“ mehr zu bieten, brandet wiederholt auf, gibt sich vorsichtig und doch bestimmt. Hinsichtich Laut-Leise-Dynamik ist das große Kunst.

Die Unnachgiebigkeit von „Relentless“ brennt förmlich unter den Nägeln. Fordernde Direktheit und mehr als nur ein herzhafter Noise-Rock-Ausritt treiben das Geschehen vor sich her, wachsen immer weiter und treiben den Wahnsinn vor sich her. Den hat auch „Bizarre“ für sich gepachtet, kramt wieder etwas Post Punk hervor und kollidiert mit dem eigenen Gefühlshaushalt. Dessen Haussegen hängt leicht schief und hebt im Titelsong „Every Second An Ocean“ erst spät ab. In bester Post-Rock-Manier arbeiten Grundeis erst vorsichtig, dann verdammt bestimmt auf einen kolossalen Höhepunkt hin, der nach kurzem Antäuschen durch Mark und Bein fährt.

Bei dieser (Un-)Menge an Musik derart abzuliefern, ist ein Kunststück für sich, das Grundeis richtig stark beherrschen. Was auf den ersten Blick auf pure, schwer verdauliche Überforderung hindeutet, wird richtig groß, drückend und schwierig, dabei doch stets so wundervoll und einfühlsam. Binnen Sekunden zieht das Quartett in einen schwer in Worte zu fassenden emotionalen Malstrom hinab, langt immer wieder beherzt zu, wiegt in falscher Sicherheit und ringt um Fassung in imaginärer Zeitlosigkeit. „Every Second An Ocean“ ist genau das, was der Albumtitel vermuten lässt – mächtig und intim zu gleichen Teilen, ein Monolith und zugleich perfektes finales Highlight eines starken Musikjahres.

Wertung: 4,5/5

Erhältlich ab: 12.12.2024
Erhältlich über: UNDRESSED Records / recordJet (Edel)

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