Urge – Here/After
Post Punk scheint Menschen zusammenzubringen. Mitglieder so unterschiedlicher Bands wie Plebeian Grandstand, BRUIT ≤, Rallye, M83, Orme und Kid Wise machen als Urge betont finstere gemeinsame Sache. Die fünf Musiker leben über Toulouse, Paris und Kopenhagen verstreut, zeigen sich jedoch geeint in ihrem Faible für beklemmende, zugleich süßliche Musik. Man versteht den eigenen Sound als ‚Urschrei einer Generation, die sich mit einer düsteren Zukunft konfrontiert sieht, jedoch nicht einem von den Fehlern der Vergangenheit bestimmten Schicksal unterwerfen will‘. Auch das erste gemeinsame Album „Here/After“ bietet starken Tobak, in betont unwirkliche Eingängigkeit gekleidet.
Das herrliche, von allen guten Geistern verlassene Schleppen eines „Desolated Auguries“ geht nicht so schnell aus dem Ohr. Zurückgelehnte Drums, schrubbender Basslauf sowie unterkühlte, exquisit trostlose Melodien bilden das Fundament für den warmen, tiefen Gesang von Adrien Broué, der kaum weiter von seinen Black-Metal-Wurzeln entfernt sein könnte. Inmitten aller Hoffnungslosigkeit tauchen immer wieder drückende Momente forscher Entschlossenheit auf, die ebenso schnell wieder von der Bildfläche verschwinden. Ebenso stark ist „Stab Another Back“, das sich schwerfällig durch post-romantisches Kargland schleppt. Frust und Enttäuschung kapitulieren vor bitterer Süße.
Wie sich „Convenience“ aus hallbeladenen Untiefen erhebt, an Selbstbewusstsein gewinnt und dem Unvermeidbaren die Stirn bietet, reißt ebenso mit wie der herzhafte, jenseitige Opener „Of Georgics“, der gefühlt die gesamten vier Minuten am Abgrund taumelt, doch nie fällt. Magische Melodien und einladende Vocals führen in Richtung endliche Unendlichkeit. Dort wartet bereits das forsche „Homecoming“ mit Effektgeräten, mit feinsten Uptempo-Ansätzen, mit Momenten seltener Klarheit, die im überlangen Titelsong münden. Post-Zwischenwelten, unerfüllte Wave-Träume und ein ellenlanger, verwaschener Abgang machen das Gefühlschaos perfekt.
Betontes, gezieltes Unwohlsein gestaltet diesen Einstand zum kleinen Highlight. Urge stehen auf die etwas feinere Post-Punk-Klinge, Gothic- und Dark-Rock-Klängen nah, ebenso Wave-affin, zugleich vom Sound der diversen anderen Haupt- und Nebenbands gerne mal recht weit entfernt. Diese unbequem finstere Herzensangelegenheit wirft den einen oder anderen Ohwurm ab, gibt sich kämpferisch und sucht nach dem berühmten Silberstreif am Horizont vollkommener, unendlicher Enttäuschung. „Here/After“ analysiert das Hier und Jetzt mit ausgesuchter Präzision, taucht dies in sehnsüchtigen Frust und seelenfressende Arrangements. Urge legen ein starkes Debüt vor und machen Hoffnung auf viel, viel mehr.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 15.11.2024
Erhältlich über: Icy Cold Records
Website: urge-music.com
Facebook: www.facebook.com/people/urgemusic/61565878890439