The Sarandons – Drawing Dead
Knapp zwei Jahre nach dem exzellenten Einstand „Sightlines“ melden sich The Sarandons schon wieder zurück. Klar, für das berühmt-berüchtigte zweite Album hat man, so die alte Binsenweisheit, nur wenig Zeit, aber gleich ein Schnellschuss? Das Risiko besteht beim Quintett aus Toronto erst gar nicht, zu geerdet und fokussiert tritt man in allen Belangen auf. Dazu passt auch die Mischung aus Rückblick, Nostalgie, vermeintlicher Krise und einem von Neuanfängen beflügelten Blick nach vorne: „Drawing Dead“ widmet sich den Herausforderungen des mittleren Alters und beschließt, diese gar selbstbewusst anzugehen.
Der exzellente, verspielte, launige Titeltrack eröffnet dieses Album gar kurzweilig und unterhaltsam – sonnig, vorwitzig, bestens gelaunt und von einer singenden, lebhaften Gitarre zu höchsten Höhen getragen. Vier Minuten lang darf die Welt vergessen werden. Das kann man von „August 1982“ nicht sagen. Sänger Dave Suchon widmet den Track seinem Vater, der sich damals das Genick brach und dauerhaft gelähmt war – ein liebevoller Tribut zwischen Optimismus und Hoffnung, der auf leichten Schwingen gekonnt mit schweren Dingen umgeht. Dass das Ergebnis gleichzeitig so anmutig und so zart rüberkommt, weiß zu beeindrucken.
The Sarandons schaffen es wie nur wenig andere, geschickt, gekonnt und doch nie erwzungen mit Gefühlen umzugehen, organisch und doch so locker. Die rhetorische Frage „Shouldn’t I?“, die gar besondere Bilder im Kopf erzeugt, lässig und schwelgend groovt, während die Lead-Gitarre singt, ist mindestens so toll wie das knackige, erdige „Feb_View“. Hier wird der ewigen Jugend Lebewohl gesagt, energisch und deutlich. Später werfen die Kanadier die „Dream Machine“ an, die sich zu einem imposanten Chorus erhebt – charmant und lebensbejahend zugleich. Im schleppenden Finale „Top Of The 4th“ verbirgt sich zumindest lyrisch erstaunliches Aufbrausen in einer nervösen und doch so eindringlichen Abhandlung über das Elternsein.
Wenig überraschend ist das Ergebnis großes, aufwühlendes Kino, wenngleich man sich auf das stete Wechselbad der Gefühle erst einlassen muss. Denn The Sarandons gehen bewusst offensiv mit der sogenannten Human Condition um, mit den Auf und Abs, den späten Einsichten und neuen, jungen Hoffnungen. Nie weiß man so recht, ob auf „Drawing Dead“ nun alles besser ist, früher besser war oder die Wahrheit letztlich doch irgendwo dazwischenliegt. Ja, das wird es wohl sein – eine präzise und zugleich lebendige Auseinandersetzung mit dem Älterwerden, mit späten Erkenntnissen und neuen Ufern. The Sarandons konsolidieren sich höchst erfolgreich auf hohem Niveau.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 15.11.2024
Erhältlich über: Flying Colours Music
Website: www.thesarandons.com
Facebook: www.facebook.com/thesarandons