Reese – Long Streets

Reese
(c) Luca Pellizzaro

Handfester, melodischer und hymnischer Rock hat immer Saison. Das gilt auch für den Sound von Reese, 2006 in Vicenza im Nordosten Italiens gegründet. Vergleiche mit Bands wie Alter Bridge und Shinedown drängen sich auf, wenngleich das Herz ebenso für etwas klassischere Klänge schlägt. Nach zwei spannenden Alben ist man nun bei Octopus Rising, dem neuen Sublabel von Argonauta Records, untergekommen, wo der neueste Streich gleich in doppelter Ausführung erscheint – „Lunghe Strade“, die italienische Variante, und „Long Streets“, die englischsprachige Platte.

Wie bereits auf den Vorgängern schraubte Andrea ‚Spazza‘ Rigoni an den Reglern, kümmerte sich um die Aufnahmen, den Mix und das Mastering. Diese vertraute Umgebung bekam Reese hörbar gut, wie bereits das eröffnende „Wait For The Day“ souverän zeigt. Zu den Highlights zählt ohne Frage der kraftvolle Gesang von Carlo Stuarti, der an kontinentale Hard-Rock-Veteranen und US-Alternative-Pros erinnert, dabei jedoch stets sein eigenes Flair einbringt. Passend dazu pendelt das Arrangement zwischen der großen Rock-Radio-Hymne und klassischen Melodic-Rock-Vibes – kurz, kompakt und verdammt unterhaltsam. Der folgende Titelsong „Long Streets“ geht es etwas flotter und ruppiger an, was aber mindestens so viel Spaß macht.

Zugleich haben Reese hörbar wenig Bock darauf, sich in irgendwelche Schubladen pressen zu lassen. „Forfeit“ lebt von Midtempo-Sehnsucht, von einem Hauch Melancholie und einer überaus virtuosen Rhythmusabteilung, die speziell in den getragenen Strophen sogar dezent jazzige Untertöne einbringt. Die zurückgenommene Aufbruchsstimmung von „Homeless Ghost“ kommt balladesken Gefilden relativ nahe, ohne sich diesen komplett zu verschreiben – ein spannender, eingängiger Spagat ist das Ergebnis. Wer hingegen die flotten, hymnischen Klänge bevorzugt, erhält das mächtige „Dresscode“ – drei kurzweilige, mitreißende Minuten.

Zwischen sprichwörtlichen Stühlen sitzt es sich für das Quintett aus Venetien besonders gut. Reese klingen radiofreundlich, stadiontauglich und melancholisch bis intim, meist sogar gleichzeitig. Was sich überladen liest, schafft in Wahrheit eine Fülle kraftvoller Tracks voller Charakter und starker Melodien, denen man sich nur schwer entziehen kann. „Long Streets“ setzt die Serie unterhaltsamer Releases mehr als souverän fort, punktet mit Herzblut und hörbar gereiftem Songwriting, das immer besser und besser wird. Auch ihr drittes Album meistern Reese verdammt locker und haben mit Sicherheit das Zeug für deutlich größere Bühnen. Es wäre mehr als verdient.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 29.11.2024
Erhältlich über: Octopus Rising

Website: reesetheband.com
Facebook: www.facebook.com/reesetheband