Kaptain Kaizen – Für 3 Minuten 11
Die Aufnahmen ihres neuen Albums brachten Kaptain Kaizen an die Grenzen. Sie fingen noch vor der Pandemie mit dem Nachfolger von „Alles und nichts“ an, scheiterten in dieser unwirklichen Zeit beinahe und konnten sich dennoch, trotz aller Widersprüche, behaupten. An der Intensität des Mannheimer Quartetts änderte sich freilich wenig, denn nach wie vor dominiert roher Punk mit Emo- und leichter Hardcore-Schlagseite, begleitet von pointierten deutschen Texten, die zwischen präziser Kritik und einem leichten Augenzwinkern pendeln. Und so strahlt auch „Für 3 Minuten 11“, benannt nach der durchschnittlichen Länge eines Popsongs, hell und düster zugleich.
Da wäre beispielsweise „Lindnereffekt“, eine Abrechnung mit zunehmender Oberflächlichkeit in der Politik, das mit donnerndem Druck und gequält herausgequetschten Silben medial kommunizierten Müll zerlegt und aufruft, den Fernseher auszuschalten. Die Medien selbst kommen ebenfalls nicht gut weg – nämlich jene, die eine nicht zuverachtende Rolle im zunehmenden Rechtsruck der Gesellschaft spielen. ‚Wird schon nichts passieren‘, ist das zynische Motto in „Kleiekotzer“, das Kinnhaken gegen die stark tendenzielle Ausschlachtung (und Verursachung) von Katastrophen verteilen. Geradezu apokalyptische Gitarren passen prima ins Bild.
Hingegen springt „Hoppenheimer“ frontal ins Gesicht und schraubt das Tempo mit einem herzhaften ‚Glück auf‘ in höchste Höhen. Im Vergleich dazu wirkt „Panini“ idyllisch und höflich. Dichte Texturen und etwas Midtempo dienen als Gegenpol zum Carpe-Diem-Thema, an dem man sich mit wachsender, roher Begeisterung abarbeitet. Der wütende „Pflugschreiber“, ein energischer Gruß an die Heimat, eskaliert am Stand und wirkt dennoch fast schon nett. Das Spiel mit den Widersprüchen treibt „Susette“ an, eine der eingängigsten Nummern der gesamten Platte, nicht zuletzt dank des immerhin angedeuteten Refrains und der Zweitstimme.
Natürlich geht die halbe Stunde viel zu schnell vorüber, muss wohl so sein. Die recht schwere Entstehung hört man „Für 3 Minuten 11“ zu keiner Zeit an, ebenso wenig den Pop-Querverweis. Stattdessen zieht das Quartett seinen Stiefel mit wachsender Begeisterung durch, wirkt auf allen Ebenen noch roher und direkter und macht einen weiten Bogen um falsche Bescheidenheit. Zudem klangen Kaptain Kaizen noch nie so sehr wie sie selbst. Selbstverständlich tauchen einige Referenzen und musikalische Querverweise nahezu automatisch vor dem inneren Ohr auf, doch war die überaus willkommene Eigenständigkeit nie so deutlich wie hier – ein packender Erfolg auf allen Ebenen.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 08.11.2024
Erhältlich über: This Charming Man Records (Cargo Records)
Website: www.kaptain-kaizen.de
Facebook: www.facebook.com/kaptainkaizen