Geordie Greep – The New Sound
Ob aufgelöst oder nur in einer Pause auf unbestimmte Zeit: Seit zwei Monaten ist das zumindest vorläufige Ende von Black Midi bekannt. Geordie Greep preschte direkt voran und kündigte nur zehn Tage später ein erstes Soloalbum an. Bewusst wollte er etwas anderes machen, ohne sich komplett von Vertrautem zu distanzieren. Mit über 30 Studiomusikern auf zwei Kontinenten aufgenommen, teils sogar mehrfach, entstand ein eklektischer musikalischer Mix, begleitet von launigen bis bizarren bis bewusst unbequemen Abhandlungen über die männliche Vorstellungskraft. Gewissermaßen setzt „The New Sound“ Greeps bisherigen ‚Everything Goes‘-Ansatz fort und ringt diesem dennoch neue Dimensionen ab.
Das zeigte sich bereits anhand des Vorboten „Holy, Holy“, diese schräge Story um ein Arschloch von Lebemann, das selbst für Don Draper Schwierigkeiten bereitet hätte. Ein Hauch Black Midi bleibt vor allem im Auftakt erhalten, doch kommen nach und nach Latin-Rock-Einflüsse hinzu, etwas Funkadelic, The Mars Volta und sogar Steely Dan, getragen von der nach wie vor befremdlichen Charakterstimme. Dass das Ding zum Ende hin komplett wegbricht und sich damit anschmiegt, passt ins Bild. Danach folgt mit dem Titelsong erst einmal ein Instrumental, quasi als Verschnaufpause, bevor „Walk Up“ inklusive höllischem Selbstzitat den Geschäftsmann in der Mid-Life-Crisis verzweifeln lässt. Eine zunehmende Noise-Eskalation trifft auf ein Beschwerde-Skit – passt auch irgendwie.
„Motorbike“ stellt eine Ausnahme da – nicht entweder weil der treibende, motorisiert wirkende Sound einen groben Ausreißer darstellt, sondern weil hier Produzent und Bassist Seth ‚Shank‘ Evans den Gesang übernimmt – eine lupenreine Überraschung in einem Song, der tatsächlich an Black Midi erinnert. Dieser Eindruck verstärkt sich im Opener „Blues“, für den Greeps Ex-Kollege Morgan Simpson das Drumkit in gewohnter Bestform verdrosch. Ein abgedrehter, silbenreicher Hummelflug ringt um Fassung, während am anderen Albumende „The Magician“ am Rad dreht. Mehr als zwölf Minuten Spielzeit, großes Showbiz-Funkeln und der Stream of Consciousness eines Vergessenen machen mindestens so viel Laune wie das witzige, funkige „Bongo Season“ mit Latin-Untertönen.
Wenig überraschend dauert es verdammt lange, bis man sich diese 63 Minuten tatsächlich halbwegs einverleiben konnte. Wenn Black Midi bereits im besten Sinne durchgeknallt waren, was soll man dann erst über Geordie Greep sagen? „The New Sound“ geht tatsächlich neue Wege, findet ganz viel Liebe in lateinamerikanischen Gefilden vor und ist doch so kauzig, so schrullig, so bizarr, wie man das vom jungen Briten gewohnt ist. Art-Pop mit King Crimson-Einschlag? Die Latin-Rock-Episoden von The Mars Volta? Steely Dan als Noise? All das und all das doch nicht – die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen und letztlich irgendwo anders. Greeps Einstand ist durchgeknallt, anstrengend und unfassbar fantastisch – ein wildes Sammelsurium an Ideen, Storys und Einflüssen, von grandiosen Musikern zusammengehalten.
Wertung: 4,5/5
Erhältlich ab: 04.10.2024
Erhältlich über: Rough Trade Records / Beggars Group (Indigo)
Website: geordiegreep.com
Instagram: www.instagram.com/emperorgreep