Wayne Graham – Bastion

Wayne Graham
(c) Hunter Way (Impact Media)

Wie geht man damit um, wenn einem die eigene Heimat plötzlich fremd erscheint? Wobei, ganz so plötzlich geschah das bei Kenny und Hayden Miles, das Rückgrat von Wayne Graham (benannt nach ihren Großvätern), eigentlich nicht. Ob kulturell, sozial oder politisch, die Kleinstadt Whitesburg im US-Bundesstaat Kentucky inspirierte zwar den eigenen Sound, doch kann man sich seit geraumer Zeit nicht mehr mit ihren Werten identifizieren. Und doch fand man letztlich hier die Kraft, um mit „Bastion“ ein im besten Sinne überraschendes neuntes Album zu schnitzen.

Die deutlichste Abrechnung ist „Swingin‘ Round“, eine zynische Bestandsaufnahme über das, was man in Whitesburg ‚Freizeitgestaltung‘ nennt – ordenlich saufen, rumballern, durch den Schlamm rutschen und am nächsten Morgen in die Kirche gehen. Während die Gebrüder Miles realisieren, dass sie ihre Heimat letztlich so akzeptieren müssen, wie sie ist, wird mit dem beklemmenden Status Quo einer verfallenden Kleinstadt schonungslos ehrlich umgegangen. Die instrumentale Ummantelung fällt fragil und behäbig aus, spielt mit Folk und Americana, aber auch mit jazziger Experimentierfreude – betont lang ausgedehnt und sehr intensiv.

„Shoot Me“ kennt ähnliche Gemächlichkeit, wenngleich von faszinierender jazziger Dissonanz durchzogen. Müde und abgekämpft erfolgt die Analyse rassistischer Verhaltensmuster und Ansichten in amerikanischen Kleinstädten – erschöpft und doch angenehm konfrontierend. Im eröffnenden „We Coulda Been Friends“ wollten sich Wayne Graham ursprünglich an LCD Soundsystem orientieren. Der Track klingt tanzbar und ominös, fast schon sinister – ein unheimlicher Firestarter, bloß zurückgelehnter. Im direkten Anschluss wird „The Patsy“ zum jazzigen Instrumental – ein weiterer packender Widerspruch. Der verspielte, verwaschene Indie-Sound von „A Silent Prayer“ erforscht hingegen, wie weit es mit der musikalischen Leichtigkeit noch gehen kann.

„Bastion“ ist die wohl klarste Identitätskrise seit langem, die inmitten spürbarer Entfremdung mehr und mehr den Weg nach vorne, in die Zukunft findet. Wayne Graham wissen, dass es um ihre Wurzeln nicht so toll bestellt ist, versuchen der Resignation zu trotzen und sehen dennoch den Ernst der Lage, ein gewisses Maß an Aussichtslosigkeit. Währenddessen verändert sich ihr Sound weiter, fällt deutlich verspielter bis experimenteller aus, entwickelt sich erfolgreich weiter und passt damit zu bewusst progressiver veranlagten Aussichten. Die Kleinstadt versumpft, doch Wayne Graham entsteigen ihr – souverän, aufregend, im besten Sinne herausfordernd.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 06.09.2024
Erhältlich über: Hickman Holler Records / Thirty Tigers (Membran)

Website: waynegraham.co
Facebook: www.facebook.com/wgmusic