Kontrolle – Grau

Kontrolle
(c) Marie Laforge

Zwei Alben wie Nackenschläge, so finster und doch so roh: Kontrolle aus Solingen und Düsseldorf wurden schnell überaus laut und wuchtig vorstellig und siedelten sich irgendwo im erweiterten Post Punk- und (Cold-)Wave-Umfeld an, ohne dabei ihre Hardcore- und Punk-Wurzeln zu verleugnen. Das klappte bislang gar hervorragend und wirft nun einen Drittling ab. Der soll noch einen Tacken ruppiger und kompromissloser ausfallen, begleitet von deutschen Texten, die zwischen aktuellen Themen und Sorgen sowie diesem kleinen Augenzwinkern pendeln. Mit „Grau“ könnte es für das Trio endlich durch die Decke gehen.

Tracks wie „Die Meisten“ haben das Zeug zum großen Wurf, weil sie irgendwo zwischen nervöser Energie, spürbarer Unterkühlung und roher Präsentation pendeln – quasi die perfekte Mitte, die von Daniels imposanten Vocals entsprechend befeuert wird. Es ist die ausladende Präsentation und die nahezu eingängige Schwere, die unterhält. Im eröffnenden „Leseecke“ deuten Kontrolle sogar eine Zuwendung zu tanzbarer Bekömmlichkeit an. Es bleibt aber nur bei dieser feinsinnigen Referenz, denn kurze Zeit später bricht der Wahnsinn durchs sprichwörtliche Gebälk und eskaliert in charmanter, noisig-punkiger Vehemenz.

Nie weiß man so genau, wohin die Reise geht, und das zählt zu den großen Stärken dieses Albums. Im Vorboten „Hüttenschnaps“ überraschen Danzig-artige Gothic-Vocals, bevor sich das inzwischen gewohnt rohe, drückende Bild zeigt, stets dem Verfall nah. „Epoxid“ erhöht die Schlagzahl und verbindet Dance-Punk mit Cold Wave und Hardcore Punk – sehr kurz, sehr heftig, sehr charmant. Der nahezu epische Abgang „Gestalten“ bastelt hingegen Klangwelten, die schon mal an frühe Karies erinnern, ebenfalls mit Cold Wave ausgekleidet und doch so forsch drumherum, selbst inmitten harmonisch-verwaschener Gitarren.

Mit dieser bewusst understateten, dennoch verdammt frontalen Präsentation gelingt Kontrolle die erhoffte Punktlandung. Das Trio aus Nordrhein-Westfalen gestaltet seinen Sound einfach noch einen Tacken schroffer, kompromissloser, ohne dabei auf erstaunliche Eingängigkeit zu vergessen, und landet damit den verdienten Volltreffer. „Grau“ klingt exakt so, wie es der Titel vermuten lässt, aber doch komplett anders. Ungeschliffener Abriss auf der einen, frostige Harmonie auf der anderen Seite, dazu eine Armada an Zwischentönen – es macht verdammt viel Spaß, dieses Sammelsurium an erschlagender Weirdness und Abrissen mit allen Sinnen zu verschlingen.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 27.09.2024
Erhältlich über: Holy Goat Records (Cargo Records)

Facebook: www.facebook.com/kontrolleband