Kite – VII

Kite
(c) Jonas Andersson

Kaum zu glauben, aber wahr: Erst jetzt, 16 Jahre nach ihrer Gründung, veröffentlichen Kite ihr erstes Studioalbum. Dabei waren Nicklas Stenemo und Christian Hutchinson Berg alles andere als untätig. Ursprünglich in Malmö gegründet und später nach Stockholm übersiedelt, war ihr Output in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten alles andere als knapp bemessen. Gleich sechs EPs und diverse Einzelsongs warf das Synth- / Wave-Duo bereits ab. Auf „VII“ setzt es nun die Singles der letzten paar Jahre sowie massig neues Material mit kleinen Überraschungen und großen, packenden Highlights.

Einer der besten Songs wartet gleich zu Beginn: „Remember Me“ ist mit seinen acht Minuten nicht nur der längste der 14 Tracks, sondern hält nach seinem ellenlangen Intro viel Gefühl und Magie bereit. Der feinfühlige, gemächliche Aufbau, der weit offene Klangraum und das intensive, durchaus verschachtelte Beat-Konzept wirken industriell und experimentell, aber auch eingängig wie Sau. Gerade die schroffe und zugleich gefühlvolle zweite Hälfte geht nicht mehr aus dem Ohr. Stark ist auch „Hand Out The Drugs“, das wohl – im besten Sinne – kaum skandinavischer klingen könnte und seine mächtigen Melodien auf Raten ausbreitet. Die schiere Dichte des Arrangements weiß alleine schon zu begeistern.

„Bocelli“ ist der nächste Leckerbissen, der irgendwie aus dem Rahmen fällt … und irgendwie auch nicht. Semi-balladeske Reduktion auf das Wesentliche trifft auf fieberhaften Gesang und eine große Fanfare zum Abschluss. Auch „Tranås/Stenslanda“ liebt den Zwischenraum, die bewusst gesetzten Leerstellen mit packenden Vocals. „Losing“ schleicht sich ebenfalls zunächst an, bevor die beiden Gäste Anna Von Hausswolff und Henric De La Cour das Heft fest in die Hand nehmen und für eine Art Synthie-Pop-Abfahrt in den dissonanten Abgrund heranziehen. Die melodische Pluralität von „Bowie ’95“ bemüht die Überforderung, schillernd und scharfkantig, doch irgendwie auch glammy.

Wie Kite mit der Musik, mit Synthesizern und Arrangierung umgehen, weiß immer wieder aufs Neue zu beeindrucken. Natürlich widmet sich das Duo Synthie-Pop, Elektronik und Wave, doch findet es stets seinen eigenen Ansatz. Mal schweben die Songs gefühlt im luftleeren Raum, mal gehen sie direkt ans Herz, dann wird wieder fieberhaft getanzt, bevor das unumgängliche Chaos alles zerlegt und doch sofort ins Ohr geht. „VII“ verspricht 70 Minuten Widersprüche der elektrisierenden Art, die mehrere Jahre Kite auf den Punkt bringen, diese letztlich dennoch nur ungefähr umreißen können – einmal mehr intensive Magie pur für Geduldige.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 09.08.2024
Erhältlich über: Dais Records (Cargo Records)

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