Charly Bliss – Forever

Charly Bliss
(c) Milan Dileo

Für eine Band, die mit ihren Songs für eine Vielzahl von Gefühlen steht, waren die letzten Jahre mit Sicherheit spannend. Nach dem Release von „Young Enough“ vor mittlerweile mehr als fünf Jahren konnte man nur einige wenige Konzerte spielen, bevor man letztlich doch zuhause eingesperrt war. Der Kreativprozess öffnete sich, das US-Quartett agierte trotz Distanz mehr denn je als eine Einheit. Sängerin Eva Hendricks befand sich längere Zeit in Australien und nahm ihre Demos in einem geparkten Auto auf, während die übrigen Mitstreiter entsprechend gefordert waren. Wenig überraschend wirkt „Forever“ bunter und homogener zugleich, lebt zudem von der nervösen Energie seiner Entstehungszeit.

Liebe und Herzschmerz stehen sich auf dieser Platte sehr nahe, und die gemeinsame Klammer von Opener und Finale macht das bereits im Titel deutlich. „Tragic“ braucht eine ganze Weile, um in Schwung zu kommen, tastet sich vorsichtig voran und ringt um Fassung. Zugleich zeigt sich hier der nun noch ausgeprägtere Fokus auf Pop, der Charly Bliss hitverdächtiger denn je macht. In „Last First Kiss“ darf sogar ordentlich geschmachtet werden, begleitet von einer Armada teils widersprüchlicher Gefühle, während die einsetzende Euphorie einer neuen Liebe mit omnipräsenter Unsicherheit kollidiert.

Nicht alles geht glatt, und so ist „How Do You Do It“ nicht nur als rhetorische Frage zu verstehen – ein lässiger, verspielter Bop, der mitten ins Herz trifft und Power-Pop-Charme mit elektronischer Lebhaftigkeit Marke Robyn verbindet. „Calling You Out“ rückt die Gitarren anfangs noch in den Mittelpunkt, bevor es eine ordentliche Portion Electro-Pop setzt. Auch das passt zur Häutung von Charly Bliss und macht Laune. Überhaupt tauchen die Gitarren nur selten an vorderster Front auf, siehe und höre das hymnisch-bedrückte „Waiting For You“ sowie das fieberhafte und zugleich fragile „I Don’t Know Anything“.

Eine kleine, übersichtliche Häutung später stehen Charly Bliss wieder mit beiden Beinen felsenfest auf dem Boden der Tatsachenlosigkeit. „Forever“ ist ein – im besten Sinne – ganz anderes Biest, wirkt kompakter und hibbeliger zugleich. Letzte Pop-Punk-Reste verschwinden, auch der klassische Indie-Track fristet ein Schattendasein. Elektronische Ideen, teils bewusst widersprüchliche Gefühle und intensive Hymnen zwischen Hoffnung und Hoffnungslosigkeit geben sich nicht näher benannte Klinken in die Hand. Und das macht, freilich nach dem ersten kleinen Schock, richtig viel Laune. Charly Bliss setzen Kurs auf den endgültigen Durchbruch und klingen mehr denn je wie eine Band mit Herz und Hirn.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 16.08.2024
Erhältlich über: Lucky Number Music (Rough Trade)

Website: charlybliss.com
Facebook: www.facebook.com/CharlyBliss