Travis – L.A. Times
Vor nunmehr 25 Jahren veröffentlichten Travis ihr zweites Album „The Man Who“, das für die Schotten den Durchbruch und alleine in Großbritannien gleich neunfach Platin bedeutete. Es war eine persönliche Platte für Frontmann Fran Healy, der die Songs bewusst therapeutisch gestaltete. Wenn das neueste Werk nun als persönlichstes Album seit besagtem Opus Magnus bezeichnet wird, hört man unweigerlich genauer hin. Der bald 51jährige Frontmann erlebte in den letzten Jahren große private und professionelle vveränderungen, begleitet von der etatmäßigen Erfahrung, vielleicht sogar Weisheit, des Alters. „L.A. Times“ wagt sich erneut in die Untiefen des eigenen Seelenlebens hinab und zeigt das Quartett zugleich in bestechender Form.
Einer dieser sehr persönlichen Tracks ist das reduzierte, fragile „Live It All Again“. Healy blickt auf die beiden Jahrzehnte mit seiner Ex-Frau Nora zurück, von der er sich 2019 einvernehmlich scheiden ließ. An dieser schönen Zeit, die einen gemeinsamen Sohn hervorbrachte, würde er nichts ändern, und die bewegende Nummer mit Kopfstimme macht genau das deutlich. Das verspielte, fröhliche „Home“ greift die Vaterschaft auf und sieht viele schöne Erinnerungen vor dem inneren Auge, hier in einen bestens gelaunten Bop gekleidet, der durchaus an die Anfänge der Band erinnert. „Raze The Bar“ ist ebenso voller toller Melodien und lässt Chris Martin (Coldplay) sowie Brandon Flowers (The Killers) im Hintergrund mitmischen – ein zurückgelehnter und doch zwingender Ohrwurm.
Hingegen gibt sich die Single „Gaslight“ giftig und forsch, reich an Worten und Atmosphäre. Healy verrät nicht, um wen es geht, ist aber froh, sich alles von der Seele geschrieben zu haben – und das summt man gerne mit. Als krasses Gegenteil wirkt der Titelsong „L.A. Times“ wie ein Stream of Consciousness, den der Schotte bei einem Streifzug durch seine Wahlheimat – für ihn ein Ort, der „jederzeit explodieren könnte“ – entwickelte. Der pointierte Sprechgesang inklusive ungeschönter Sprache erinnert trotz blumiger Melodie an Arab Strap. Hingegen macht „I Hope That You Spontaneously Combust“ einfach nur Spaß – kurz, bündig und vorwitzig. Die Inspiration kann hingegen überall auftauchen, und das bittersüße „Bus“ fängt die unwirkliche Stimmung zwischen Ankommen und Abreisen ein.
Es dauert nur 32 Minuten, dieses mittlerweile zehnte Studioalbum, doch ist damit alles gesagt. Travis haben hörbar Bock, toben sich kreativ aus, erzählen gute Geschichten und sprechen eine neue, alte Generation an, die mit ihnen gewachsen ist. Im Fall von „L.A. Times“ von ‚Dad Rock‘ zu sprechen, wäre aber Blödsinn. Feinsinnige, folkige bis poppige Nummern, bissige Rocker, kleinere Experimente und sogar eine für Band-Verhältnisse sperrige Spoken-Word-Performance finden verdammt stark zusammen, ohne den Hauch eines Durchhängers. Auch nach drei gemeinsamen Jahrzehnten schaffen es Travis, frischen Wind zu verbeiten, ohne sich zu verbiegen – ein weiteres wunderschönes Album, das sich wie Balsam auf die rastlose Seele legt.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 12.07.2024
Erhältlich über: BMG Rights Management (Warner Music)
Website: travisonline.com
Facebook: www.facebook.com/travistheband