Knarre – Hundeleben

Knarre
(c) Knarre

Die Waffe wird wieder gezückt: Knarre melden sich mit ihrem neuen Album zurück. Das Quartett aus der Hauptstadt nennt seinen Sound ‚Skramz-Pop‘ und meint damit eine aggressive Subform von Emo, geläufiger unter der Bezeichnung ‚Screamo‘ bekannt. Tatsächlich gibt man sich roh und ungeschliffen, aber auch melodisch und punkig – eine Sammlung dissonanter Widersprüche mit Harmoniebedürfnis, die den Blick nach Innen für die intensive Auseinandersetzung mit dem Außen heranzieht. „Hundeleben“, der sechs Jahre nach dem Debüt erscheinende Zweitling, schickt sich an, die rohe Eigenwilligkeit der Berliner zu etablieren.

Im Vorboten „Der Ich“ kommt die nervöse Energie, die dem omnipräsenten stilistischen Spagat angeboren scheint, von der ersten Sekunde an zum Vorschein. Die beißenden Vocals mit erdigen Backings, die anfänglichen Dissonanzen, aber auch der angepunkte Wellenbrecher im Anschluss – in Verbindung mit der thematisierten Sinnsuche tut das ganz schön weh und überrascht mit einem kurzen Post-Black-Metal-Ausflug. Einen solchen hat „Oxytocin“ zwar nicht zu bieten, kann mit seiner 90er-Ästhetik und den bewusst ungeschliffenen Gitarrenwänden dennoch überzeugen. Gerade die niedergeschlagenen, teils gesprochenen Vocals in den Strophen gehen unter die Haut.

Dort wartet bereits „Für immer 2000“ – halb Song und halb Zwischenspiel – und flüstert sich im Stile der Self Defense Family durch emotionale Untiefen, die mit dem Post-Präfix flirten. „Mall Of Berlin“ hat mit Kommunismus letztlich wenig gemein und geht dafür aggressiv nach vorne – punkig, im Hauptteil sogar unerwartet hymnisch und doch so roh, sich wiederholt häutend. Im abschließenden „Stillstand“ drängen sich Turbostaat-Vergleiche geradezu auf, von reduzierten bis intimen Zäsuren durchzogen und unterbrochen. Das komplett ausartende Finale mit Blechbläsern und erschöpfenden Noiseschleifen passt ins Bild.

Selbstverständlich hätte man auch mehr als diese 24 Minuten genommen, doch letztlich ist damit alles gesagt. Knarre liefern einmal mehr auf den Punkt ab, erkunden Emo-, Screamo- und Punk-Untiefen mit wachsender Begeisterung, wirken zugleich noch harmonischer und noch abgefuckter. „Hundeleben“ klingt in etwa so, wie es der Titel vermuten lässt, geht an die Substanz und lässt doch nicht los. Der ersehnte Zweitling löst sämtliche Versprechen ein, locker und abgeklärt, dennoch forsch und deutlich. Die Berliner liefern ab und setzen zum verdienten Höhenflug an.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 19.07.2024
Erhältlich über: Through Love Records (The Orchard)

Website: knar.re
Facebook: www.facebook.com/knarreausberlin