Kiasmos – II

Kiasmos
(c) Maximilian König

Ihr erstes Album nahmen sie großteils in zwei Wochen auf, für den Nachfolger brauchten sie ein Jahrzehnt: Kiasmos, das Duo um Komponist Ólafur Arnalds und Bloodgroup-Klangschmied Janus Rasmussen war in den letzten Jahren alles andere als untätig. Dennoch sollte es eine ganze Weile dauern, bis man ein frisches Rezept für die eigene elektronische Spielwiese mit Streichereinsatz fand. Beatesker und tanzbarer sollte der Zweitling werden, ohne dabei auf das emotionale Finetuning zu vergessen, aufbrandend und doch gekonnt minimalistisch. Letztlich ist „II“ all das, und doch so viel mehr.

„Burst“ ist für das Duo einer der Schlüsselsongs des Albums, anhand dessen das Material langsam, aber sicher Form annahm. Dabei handelt es sich hier um eine vergleichsweise unscheinbare Nummer, die mit süßlich-balearischem Touch experimentiert und die Melodiefolge mehr und mehr auf eine imaginäre Spitze treibt. Vorwitziges Blubbern und eine Rave-artige Verzahnung im Schlussakt gehen sofort ins Ohr. Es geht aber noch deutlich tanzbarer, wie beispielsweise „Told“ unter Beweis stellt. So beatesk gab es Kiasmos in der Vergangenheit nur selten, mit Minimal- und Electro-Pop-Klasse ausgestattet, forsch und zurückgelehnt zugleich. Bei aller technoider Ausprägung bleibt doch die feine Klinge präsent.

Exakt das macht den Sound der beiden selbst in den vermeintlich lauten Momenten aus, die mit Bounce und Heavyness spielen, dennoch von Leichtigkeit umgeben sind. „Bound“ stellt dies auf die Probe, ist lauter und heftiger mit einem deepen Beat, während die Melodien und Streicher mit Ambient-Chic kokettieren – ein vermeintlicher Widerspruch, der jedoch bestens zum Kiasmos-Sound passt. Im abschließenden „Squared“ scheinen sie für einen Moment tatsächlich im Club zu landen, werden immer lauter und schroffer – eine spannende, willkommene Entwicklung. Wer hingegen die ruhigen Momente herbeisehnt, wird in „Sailed“ laufend fündig – ein Sammelbecken für kraftvolle Melodien.

Wenig überraschend hat es sich gelohnt, das lange Warten auf ein Album, das zu ausgiebiger Beschäftigung mit musikalischen Welten und Sphären einlädt. Kiasmos spielen mehr denn je mit Stimmungen und Aggregatszuständen, geben sich insgesamt tatsächlich eine Spur clubbiger, ohne jedoch auf den geschickt arrangierten, ihnen scheins innewohnenden Feinsinn zu vergessen. „II“ denkt den Sound weiter, doch nie zu weit, wirkt tanzbar und freundlich, aber auch intim, ja sogar etwas nachdenklich. Arnalds und Rasmussen verstehen die Kunst des musikalischen Understatement wie nur wenige andere, und das wird während dieser wunderschönen Platte immer wieder deutlich, selten sogar laut.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 05.07.2024
Erhältlich über: Erased Tapes Records (Indigo)

Website: kiasmos.is
Facebook: www.facebook.com/kiasmos