K.I.Z. – Görlitzer Park

K.I.Z.
(c) Philipp Gladsome

Übertriebene Gewalt. Explizite sexuelle Handlungen. Exzessive Drogenverherrlichung. Die Kannibalen in Zivil wissen genau, wie sie Politik, Establishment, Presse und Staatsbedienstete immer wieder gegen sich aufbringen. Die Texte: fast immer bewusst inhaltlich drüber, oft hochpolitisch, gerne bis weit ins Bizarre übertrieben und absolut immer von bösem Sarkasmus eingehüllt. So kennt man Deutschlands erfolgreichste, hart-linke Rapband aus den Schlagzeilen. Doch wer hinter die medialen Irrlichter schaut, findet politisch engagierte, sich für Gleichberechtigung und Frauenrechte einsetzende ehemalige Problemkids, die sich 100 % gegen Faschismus und Fremdenhass positionieren. Und zwar um jeden Preis, jedes Mittel ist recht.

Aber 2024? Voller Cut. Quer unter der bisherigen Karriere der Kannibalen. Auf „Görlitzer Park“, dem neuen Album, zeigt die Band sich von ihrer eher introvertierten Seite – ja, man könnte fast sagen: So hat man Maxim, Tarek und Nico noch nicht gehört. Teils erinnert die Platte stilistisch ein wenig an Danger Dans Klavieralbum. Es ist eine überaus persönliches Werk, das den Werteverfall, den hemmungslosen Konsum und die alltägliche Gewalt im Blitzlicht der Jahre thematisiert. Immer im Fokus: Berlin und der verrufene Görlitzer Park, mit dessen Niedergang K.I.Z. ihre persönliche Geschichte verweben. Also quasi ein Konzeptalbum. Das kommt unerwartet.

Vor allem bleibt beim Hören ein mulmiges Gefühl zurück, weil die Berliner authentisch autobiografisch werden und persönliche Geschichten Einzug halten. In „Sommer meines Lebens“ schildert Tarek, wie er als Kind Opfer häuslicher Gewalt war und in dieser unheilvollen Aggressionsspirale später selbst zum Täter wird. Oder wenn Maxim in „2001“ fast schon verbittert seine eigene Jugend reflektiert, die vom Gefühl bestimmt war, als Mensch nichts wert zu sein.

Aber es gab auch Hoffnung in all dem Leid. „Vierspur“ thematisiert die ersten Versuche, als Rapper Erfolg zu haben, wenn auch zunächst vergeblich. Die Antwort auf den Misserfolg wiederum ist Exzess, in „Die Party ist vorbei“ wird der übertriebene Konsum von Drogen thematisiert, der dazu führt, dass ganze Lebensabschnitte sich weggeworfen anfühlen und man trotzdem irgendwie die Reißleine zieht. Einen selbst reflektierenden Ton schlagen auch weitere Tracks an, auch der eigene Erfolg als Band wird hinterfragt. „Applaus“ und „Geld wie ein Magnet“ setzen sich kritisch mit der eigenen Prominenz auseinander, dem Partyfeierei und der nachfolgenden Depression, entstanden aus dem Druck, immer im Scheinwerferlicht zu stehen und für die eigenen Werte gradzustehen. Und sich doch auch irgendwie selbst geil zu finden.

Political Content darf natürlich auch nicht fehlen. „Frieden“ thematisiert das Kriegsgebahren in Regierung und den rechten Parteien, und die damit verbundene Pauschalisierung bzw. die Versachlichung von Krieg. „Na klar sind wir für Frieden, doch erst müssen wir gewinnen“.

Ist man mit dem Album durch, bleiben jede Menge Gedanken und Zitate im Kopf kleben. So viele Punchlines treffen ins Mark, direkte, persönliche Zeilen von Maxim, Tarek und Nico schaffen eine ganz neue Perspektive auf die Band K.I.Z.. Dieser neue Style steht ihnen verdammt gut – so bleibt unterm Strich ein sehr gelungenes Konzeptalbum, geschliffen mit feinster Klinge, präzise und brutal im Text, aber beängstigend gut skizziert.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 21.06.2024
Erhältlich über: EKLAT Tonträger (Warner Music)

Website: www.k-i-z.com
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