The Decemberists – As It Ever Was, So It Will Be Again

The Decemberists
(c) Holly Andres

Nach Ende der Tour zu „I’ll Be Your Girl“ merkte Colin Meloy, dass The Decemberists längst nicht mehr ausschließlich sein kreatives Leben bestimmten. Der Mastermind der 2000 gegründeten Indie- und Folk-Institution wendete sich erst einmal verstärkt seinen anderen Schauplätzen zu, schrieb weitere Kinderbücher und ist an der Film-Version seines ersten Buchs „Wildwood“ beteiligt, die im kommenden Jahr erscheinen soll. Als es schließlich 2023 doch wieder ins Studio ging, war das Feuer wieder da. Die Pause tat hörbar gut, und so zeiget sich das Quintett nach sechs Jahren auf „As It Ever Was, So It Will Be Again“ in bestechender Form.

Das Eröffnungsduo macht den alten, neuen Esprit auf beste Weise greifbar. Zunächst tastet sich „Burial Ground“ durch bewährten Indie-Folk mit Country-Einschlag, verspielt und doch unterkühlt, bevor der Schlussakt konstant abdriftet. Das instrumentale Chaos mit Blechbläsern macht Laune und führt in einen großen Refrain. Danach gibt sich „Oh No!“ verspielt, abgehangen, fast schon tanzbar. Gewisse Erinnerungen an Calexico werden wach, in Storytelling und Instrumentierung, während der Chorus ganz hell funkelt und mit einem verschmitzten Augenzwinkern von der Theke auf eine leicht klebrige, schummrige Tanzfläche zieht.

So breit und kurzweilig waren The Decemberists schon lange nicht mehr aufgestellt. „America Made Me“ bringt bekömmlichen Pop mit, ringt mit dem doppelten Boden, bevor einmal mehr die Bläser die Überhand gewinnen. In „Long White Veil“ spielt die Formation mit sehr vertrauten Country- und Americana-Motiven, die das starke Storytelling von „William Fitzwilliam“ noch weiter reduzieren und mit Sehnsucht versehen, während „Born To The Morning“ den Charme von Death Cab For Cutie mit kurzweiligen Gitarren-Breitseiten versieht. Und dann ist da noch „Joan In The Garden“, der 19minütige Rausschmeißer, inspiriert von den wilden Halluzinationen Johannas von Orleans. So proggy, so heavy waren The Decemberists noch nie, docken sogar bei Ambient und Fast-Metal an.

Eingängig und doch am Rande der Überforderung wandelt, so präsentiert sich das erste echte, bewusste Doppelalbum der Band aus Portland, Oregon. Weit über eine Stunde Musik macht sich breit und versucht viel. Dass der kreative Esprit zurück ist, lässt sich nicht überhören, und so wird „As It Ever Was, So It Will Be Again“ zum geglückten Versuch, sich mit wachsender Begeisterung zu lösen, frei zu spielen. Allerlei Experimente, das gekonnte Spiel mit Erwartungen und ein waschechter Prog-Bastard machen Laune, begleitet von vertrauten Qualitäten, von gerne mal unbequemen Storys und folkigen Beobachtungen aus der Mitte des Lebens. The Decemberists legen ihr bestes Albums seit langer Zeit vor.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 14.06.2024
Erhältlich über: YABB Records / Thirty Tigers (Membran)

Website: www.decemberists.com
Facebook: www.facebook.com/thedecemberists