Nathaniel Rateliff & The Night Sweats – South Of Here

Nathaniel Rateliff & The Night Sweats
(c) Alysse Gafkjen

Ob im Alleingang oder mit seiner siebenköpfigen Band The Night Sweats: Nathaniel Rateliff zählt zu den wichtigsten Folk- und RnB-Revival-Namen der Gegenwart. Robert Plant zählt zu seinen Fans, zudem arbeitete der Mittvierziger unter anderem mit Paul Simon und Willie Nelson. Das mittlerweile vierte Studioalbum in Bandbesetzung sollte deutlich persönlicher ausfallen. Rateliff ließ sich zu einer offenen Auseinandersetzung mit Ängsten und Unsicherheiten überreden, erzählt Geschichten aus seinem Leben und genießt die Unterstützung von guten Freunden. „South Of Here“ könnte zur neuen musikalischen und kreativen Blaupause mutieren.

Beschädigte Beziehungen zählen zu den zentralen Themen dieser Platte, siehe und höre das Richard Swift gewidmete „Get Used To The Night“. Aus der feinsinnigen Halb-Ballade entwickelt sich pure RnB-Magie, die zwischendurch dank Blechbläsern und Gitarren umherwogt, sogar in vertraute Folk-Gefilde eintaucht und sich dort hörbar wohlfühlt. Auch das eröffnende „David And Goliath“ widmet sich einem ähnlichen Thema. Dass der Anfang ein wenig an „Gotta Get Up“ von Harry Nilsson erinnert, ist ein willkommener Zufall. Kleinere Metamorphosen und ein fieberhafter Schlussakt intensivieren das Geschehen, der leicht durchgeknallte Wahnsinn gibt ein herrliches Finale.

„Call Me (Whatever You Like)“ serviert sogar bekömmlichen MOR-Rock, der kaum aneckt, eine feine Prise E-Street-Charme einbringt. Davon hat auch „Time Makes Fools Of Us All“, dem langjährigen Wegbegleiter Joseph Pope III am Bass gewidmet, der seinen Kampf gegen den Krebs gewinnen konnte, einiges am Start. Das bewegende, reduzierte „Center Of Me“ mimt hingegen den Paradigmenwechsel, voller Selbstzweifel und Kommunikationsprobleme inmitten lähnmender Untätigkeit – ein folkiges Stück Schönheit, dem der Titelsong „South Of Here“ mit obligatorischem Americana-Flair begegnet. Der Kampf zurück, das Überleben und Neuerfinden weckt Hoffnung auf ein besseres Morgen.

Einmal mehr gelingt die Mission, geht die Mischung von der ersten bis zur letzten Sekunde auf, meldet sich RnB lebensbejahend zurück und taumelt doch stets an der folkigen Grenze des privaten Absturzes. „South Of Here“ ist ein vom Leben geplagtes und doch so wunderschönes Album, wie es aktuell nur Rateliff hinzubekommen scheint. Eine Fülle an Ohrwürmern, an aufwühlenden Exkursen, dazu der stete Versuch, aus dem destruktiven Selbst auszubrechen und das Ich gesünder zu definieren – die Storytelling-Klasse wird durch nicht minder bewegende Musik kongenial ergänzt. Nathaniel Rateliff & The Night Sweats beweisen einmal mehr, warum sie sich alle Vorschusslorbeeren verdienen, warum sie so viele prominente Fants haben, und schütteln mal eben die nächste Perle aus dem Ärmel.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 28.06.2024
Erhältlich über: Stax Records / Concord Records (Universal Music)

Website: www.nathanielrateliff.com
Facebook: www.facebook.com/nathanielrateliff