Alfie Templeman – Radiosoul

Alfie Templeman
(c) Blacksocks

Will Joseph Cook. Declan McKenna. Alfie Templeman. Aus Großbritannien kommen in letzter Zeit viele junge, talentierte Singer/Songwriter, die mit wachsender Begeisterung die imaginäre Grenze zwischen Pop und Rock mit starker Musik torpedieren und dabei mit jedem Release gefühlt wachsen. Erst vor zwei Jahren legte Templeman sein erstes komplettes Album „Mellow Moon“ vor, aufgenommen in einem mentalen und gesundheitlichen Ausnahmezustand, der ihn mehr oder minder an sein Zimmer kettete. Seither konnte sich der nunmehr 21jährige aus Bedfordshire freier bewegen und kreativ weiterentwickeln. Die Experimentierfreude hört man dem Zweitling „Radiosoul“ an.

Zu den Herzstücken zählt der Disco-Exkurs „Just A Dance“, für das Templeman mit Nile Rodgers einen persönlichen Helden an der Gitarre gewinnen konnte. Das funky Riff lädt zu einem kleinen Tanzmarathon ein, groovt wie Sau und schillert kunterbunt. Mindestens so stark und ähnlich stylisch fällt „Eyes Wide Shut“ aus. Templeman fühlt sich im Falsettbereich hörbar wohl, während der Chorus wehmütige Erinnerungen an die Scissor Sisters weckt, dabei jedoch stets konsequent sein eigenes Ding durchzieht. Im butterweichen „Hello Lonely“ tauchen sogar feinste RnB-Noten auf, bevor sich der Hauptteil mal eben in Richtung Empire Of The Sun streckt – eine sehr sympathische Angelegenheit.

Der eröffnende Titelsong „Radiosoul“ fällt mit seinen mehr als fünf Minuten fast schon episch aus, schleicht sich vorsichtig an und entfaltet eine ganz besondere Strahlkraft – verdammt cool und zurückgelehnt, fast schon futuristisch und doch retro im besten Sinne. Derlei Widersprüche beherrscht Templeman wie nur wenige andere, wenn „Drag“ beispielsweise die BPM Schritt für Schritt nach oben schraubt, nur um am Höhepunkt zusammenzusacken. Der lässige Rausschmeißer „Run To Tomorrow“ spielt kurz mit semi-balladesken Zügen, bevor der Basslauf ein Eigenleben entwickelt und in Richtung Afterhour entführt. Hingegen knüpft „Submarine“ mit Jangle-Untertönen an frühere Werke an.

Alfie Templeman wagt einen großen kreativen Sprung und gewinnt damit auf ganzer Linie. Deutlich funkiger, beseelter und tanzbarer, kunterbunt und voller großer Melodien, dabei zu keiner Zeit das bisherige Schaffen verleugnend: „Radiosoul“ macht eine eindrucksvolle Entwicklung durch, klingt in manchen Passagen wie ein komplett anderer Künstler und fällt letztlich auf allen Ebenen wunderbar logisch aus. Es macht Spaß, die Entwicklung Templemans zu beobachten, der mehr und mehr zum starken Songwriter wird, der ein Händchen für große Melodien hat, und der mit wachsender Begeisterung seiner Kreativität, seiner Experimentierfreude freien Lauf lässt. Dass dabei noch richtig starke Songs rauskommen, spricht für sich. Was für eine richtig schöne Platte.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 07.06.2024
Erhältlich über: Chess Club Records / AWAL Recordings (Membran)

Website: alfietempleman.com
Facebook: www.facebook.com/atemplemanmusic