MRCY – Volume 1
Sie wuchsen an unterschiedlichen Enden Großbritanniens, in unterschiedlichen Welten auf und passen doch so perfekt zusammen: Produzent Barney Lister (u. a. Joy Crookes, Celeste) entdeckte Sänger Kojo Degraft-Johnson, der bereits mit Little Simz und Liam Gallagher sang, bei einer Live-Performance auf Instagram. Man tauschte sich aus, fand während der Lockdowns – unter gebotenem Abstand – in Listers Studio in Brixton zusammen. Ursprünglich für einen gemeinsamen Track angedacht, entwickelte sich daraus binnen kürzester Zeit ein Projekt, das stimmungsvollen Soul und RnB mit luftigen wie zeitlosen Arrangements zusammenbringt. Als MRCY veröffentlichen sie nun ihr erstes Album, schlicht „Volume 1“ genannt, und hoffentlich der erste von vielen Teilen.
„Lorelei“, die erste Single, bringt den sympathischen Ansatz des britischen Duos sogleich auf den Punkt. Soul und RnB leben hier in ihrer traditionellen Form weiter, von lässigen Drums und ganz viel Gefühl in jeder Note begleitet – luftig, zeitlos, voller Herz und Volumen. Und dann ist da noch diese unglaubliche Stimme: Kojo Degraft-Johnson kann butterweich und tiefenentspannt vortragen, wechselt mühelos in höhere Register, spaziert durch den frühlingshaften Track. Es geht aber auch mit Nachdruck, wie das flotte „Days Like This“ eindrucksvoll zeigt. Unheimlich viel Power trägt diese Uptempo-Perle mit Elan und Anlauf nach vorne.
Dass im direkten Anschluss erst einmal einen Gang zurückgeschalten wird, passt ins Bild. „California“ atmet den Geist längst vergangener Zeiten, klingt nach Road Trip, nach Vintage-Tribute, aber auch nach psychedelischer Wüsten-Soul-Zeitlosigkeit, so wie es bei den Labelmates Khruangbin angesagt ist. Hingegen schlägt das reduzierte „Seven Candles“, fast nur aus Vocals und Piano bestehend, stellenweise sogar jazzige Töne an und punktet mit einem Hauch Benjamin Clementine. „Flowers In Mourning“ packt hingegen die Tanzschuhe aus, gibt sich nervös und spielt mit engagierten Bläsern, die der unwirklichen Dimension des Bandsounds ihren Stempel aufdrücken.
„Volume 1“ ist eine Offenbarung von einem Album geworden, die leider viel zu schnell vorübergeht. Eine halbe Stunde Spiel-‚Zeit‘, das ist auch schon der einzige Mini-Makel dieses Einstands, der mit MRCY eine neue Lieblingsband vorstellt. Degraft-Johnsons wandlungsfähiger Stimme nimmt man alles ab, so vielschichtig wie ehrlich und packend. Dabei wollen Listers exzellente Produktionen auf keinen Fall außer Acht gelassen werden, nie überladen, immer schön luftig und voller Atmosphäre, dabei trotz allem stets (zu)packend. Das britische Duo gibt ein überdimensionales Versprechen für die Zukunft ab mit einem Einstand, der jetzt schon Klassikerpotenzial aufweist.
Wertung: 4,5/5
Erhältlich ab: 10.05.2024
Erhältlich über: Dead Oceans
Facebook: www.facebook.com/MRCYBAND