Dehd – Poetry
Songwriting kann eine ganz schon zähe Angelegenheit sein – alleine im Schlafzimmer, mit etwas Glück gemeinsam im Proberaum, während der Lärm der Straße an der Türe zerschellt. Dehd wollten jedoch etwas erleben und wagten sich für den Nachfolger von „Blue Skies“ auf einen Road Trip. Das US-Trio reiste von der Heimat in Chicago quer durch die USA, hackte Holz, ließ das Leben von den Gezeiten bestimmen und strandete kurzzeitig nach einem Wildunfall. Die frische Luft bekam der Band offensichtlich gut, und so holte man sich mit Co-Produzent Ziyad Asrar (Whitney) sogar erstmals Input von außerhalb für den Aufnahmeprozess hinzu – frischer Wind, wenn man so will. „Poetry“ blüht hörbar auf.
Songs wie die Single „Mood Ring“ gehen binnen Sekunden ins Ohr und machen es sich dort erst einmal gemütlich. Aus dem schneidenden Bassgewitter erhebt sich ein feines Stück Indie mit Emily Kempf an vorderster Front, die sich mit Jason Balla am Mikrofon abwechselt und dem charmant nach vorne marschierenden Track ein gewisses Augenzwinkern verleiht. Hingegen dreht „Shake“ am Stand durch und könnte in seiner nervösen, quengeligen Art auch von frühen Clap Your Hands Say Yeah stammen. Der dissonante und doch hymnische Spagat macht Laune, wobei vor allem die kleineren Leerstellen inmitten des chaotischen Soges zu unterhalten wissen.
Ein paar Türen weiter wird es verträumt und zurückgelehnt, dennoch deutlich: „Dist B“ sucht sich seine Nische mit ausgesuchter Bestimmtheit und wirkt dabei trotzdem nahezu meditierend. Erst spät entstellt die Gaze-Gitarre das Geschehen. Im hektischen Auftakt „Dog Days“ meint man stellenweise „First Date“ von Blink-182 zu hören, wenn der hibbelige Hauptteil mit Stop-and-Go-Motion auch mal etwas schräger ausfallen darf. Das hymnische, leicht zögerlich marschierende „Alien“ besitzt eine schwer in Worte zu fassende Anmut, die sich mindestens so gekonnt einbrennt wie der verträumte Shoegaze-Abgang „Forget“, der Jimmy Eat World neben Slowdive stellt.
Souverän konsolidieren sich Dehd auf hohem Niveau und präsentieren 14 kurzweilige Songs, die nicht so schnell aus dem Ohr gehen. Es gibt keine große musikalische Revolution, bloß hörbare Frische und Spielfreude. Der Tapetenwechsel tat den Chicagoern hörbar gut, denn zwischen hoher Energie, viel Gefühl und spürbar Bock wächst „Poetry“ über sich hinaus. Dass bei dieser Menge an Material nicht der Hauch eines Durchhängers zu verspüren ist, macht die Angelegenheit noch beeindruckender: Dehd behaupten sich einmal mehr und etablieren sich mit der nächsten Perle von einem Album.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 10.05.2024
Erhältlich über: Fat Possum Records (Rough Trade)
Website: www.dehd.horse
Bandcamp: dehdforever.bandcamp.com