OU – II: Frailty

OU
(c) Zhang Xin

„Heutzutage gibt es doch eh nix neues mehr, alles klingt gleich.“ Wem schon einmal genau dieser Gedanke gekommen sein sollte, der sollte diesen schnellstens überdenken und sich auf eine Suche weit fernab des gängigen Mainstreams machen. Denn es gibt sie, diese völlig neuartigen Klänge, die mit allem Gewohnten brechen und mit Nichts zu vergleichen sind. Und damit wären wir bei der chinesischen Progressive Metal-Band OU. Wobei der Begriff ‚Progressive Metal‘ den polyrhythmischen Sound des Vierers um Sängerin Lynn Wu nur sehr unzulänglich beschreibt, denn eigentlich hat die Truppe ihr eigenes Genre mit Einflüssen aus Jazz, Elektronik, Ambient, Djent und Progressive Metal erschaffen. War das Debütalbum „One“ schon eine akustische Herausforderung, so gehen OU auf „II: Frailty“ noch einen Schritt weiter und entführen den Hörer in völlig neuartiges Gelände.

Zum Eingewöhnen fällt der Opener „Frailty“ sogar noch einigermaßen zugänglich aus – wenn auch die polyrhythmische Struktur sicher schon recht herausfordernd anmuten kann. Diese für das ungeübte Ohr sehr ungewöhnliche Rhythmik geht mit dem hypnotischen Gesangsorgan Lynn Wus eine magische Allianz ein, die bisweilen geradezu verzaubernd wirkt. Die einzelnen Elemente (inklusive einiger mächtig donnernder Gitarrenriffs) mögen einem hier und da bekannt vorkommen, doch die Art und Weise, wie OU daraus ein großes Ganzes zaubern, ist so neuartig wie genial. Der zweite Song „Purge“ ist dann noch eine ganze Spur herausfordernder. Soundgenie Devin Townsend, der das ganze Album auch abgemischt hat, gibt hier sein musikalisches Gastspiel und hebt den Song in noch höhere Sphären.

Bei all der Originalität entsteht jedoch nicht immer Großartiges. Besonders dann, wenn OU zur Entspannung zwischendurch gewöhnlichere Phade betreten, wie beim dahinplätschernden „Redemption“ oder dem balladesken „Reborn“, kehrt doch auch etwas musikalische Langeweile ein. Weitere Highlights können diese kleineren Schwächen aber glücklicherweise wunderbar ausgleichen – so etwa das stellenweise fast schon poppig-eingängige „Ocean“, das elektronisch-schräge, das Riff des Nirvana-Klassikers „In Bloom“ immer wieder aufgreifende „Capture And Elongate (Serenity)“, das sphärische Riffmonster „Spirit Broken“ oder das abschließende „Recall“, welches mit seinen traditionellen Holztrommel-Klängen, vermischt mit den Vocals des Openers „Frailty“, für zusätzliche Aufmerksamkeit sorgt.

OU möchten mit ihrem ungewöhnlichen hypnotischen Sound auf „II: Frailty“ die Vergänglichkeit und Flüchtigkeit allen Lebens beim Dahintreiben im Fluss der Zeit musikalisch umsetzen. So gewagt dieses Ziel auch klingen mag, in weiten Teilen ist der Pekinger Band dieses Experiment tatsächlich gelungen. Wer somit etwas völlig Neuartiges und gleichzeitig durchaus Tiefgängiges kennenlernen möchte und sich dabei auf die polyrhythmische Struktur einlassen kann, den erwartet Großes beim Anhören dieses Albums. Gewiss ist, dass der vorurteilsbehaftete Gedanke „heute klingt ja eh alles gleich“ danach der Vergangenheit angehören und zügig im Fluss der Zeit davontreiben wird wie alles in der Natur und im Leben.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 26.04.2024
Erhältlich über: Inside Out Music (Sony Music)

Website: www.outheband.com
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