Oliver Hohlbrugger – Nothing’s Changed, Everything Is New
Oliver Hohlbrugger ist ein Unikat, das lässt sich ohne Frage sagen. Der Norweger versteht sich auf den konsequenten Bruch mit Genre-Erwartungen und musikalischer Vorhersehbarkeit im Geiste von Nick Cave oder dem späten David Bowie, auf dem 2016 erschienenen „The Choirboy“ bereits etwas angedeutet. Art Rock hier, Jazz da, Soundtrack- und Ambient-Atmosphäre im nächsten Moment – nicht umsonst findet seine Musik cineastische Verwendung und Serieneinsatz. Diesen künstlerischen Anspruch verfolgt Hohlbrugger auf „Nothing’s Changed, Everything Is New“, das sich noch weiter hinauswagt.
Direkte Nummern sind eine Seltenheit, doch überaus unterhaltsam. „Velveteen“ mit Regisseur und Gitarrist Pål Jackman ist ein fieberhafter Rock-Ritt, drückend und retro, eine verschwitzte Tour de Force, die immer lauter und intensiver wird. Auch das von einem einen Abhang hinabpurzelnden Saxophon eingeleitete „Neon Dreams“ macht mit seinem Blechbläser-Bombast und der verruchten Schwere richtig schön Laune. Feine Backings, Retro-Vibes und eine Überdosis Nick Cave setzen ein betont stilvolles Zeichen. Komplex, kaputt, jazzig und doch vogelwild – dieser Opener könnte kaum besser ausfallen.
Die wahre Stärke Hohlbruggers liegt jedoch in der Überlange, wie beispielsweise der Titelsong sehr eindrucksvoll illustriert. Piano und Gesang bestreiten weite Teile von „Nothing’s Changed, Everything Is New“, das Arrangement schwillt nur langsam an und brennt sich mit seiner fieberhaften zweiten Hälfte ein. In „Into The Night“ taucht sogar ein Hauch Chanson im Jazz- und Art-Mix auf, von einer Art jenseitigen Düsternis eingefangen, die „Eclipser“ in semi-balladeske Weisheiten endloser Melodien umwandelt. Die heulende Gitarre passt ins Bild. Dass das zwölfminütige Finale „From Space, This Place Looks Blue“ ein Instrumental mit Drone- und Free-Jazz-Anteilen geworden ist, macht Sinn.
Oliver Hohlbrugger dreht am Rad und hat hörbar Spaß daran. Tatsächlich wagt er sich auf seinem neuen Longplayer noch eine Spur weiter hinaus, was kaum für möglich gehalten worden war, und klingt dabei wahlweise so zugänglich und überfordernd wie immer. „Nothing’s Changed, Everything Is New“ könnte als Titel für dieses Unterfangen kaum passender gewählt sein. Die ausladende Instrumentierung pendelt zwischen Überdrehtheit und Intimität, ruppiger Rock trifft auf Jazz-Club-Kunst, und über allem thront ein großartiger Musiker und Songwriter, der sich in Zwischenwelten und Widersprüchen hörbar wohlfühlt. Was für ein Happening von einem Album!
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 19.04.2024
Erhältlich über: REVIR / Moon Flower Music
Facebook: www.facebook.com/oliverhohlbrugger