Idles – Tangk

Idles
(c) Daniel Topete

Der musikalische Wandel, den Idles im Laufe ihrer vergleichsweise kurzen Karriere vollzogen, ringt Respekt ab. Zwar haben sie ihren wütenden, frontalen und dissonanten Post Punk keinesfalls ad acta gelegt, doch bemühten die letzen Platten bereits viel mehr Experimente mit elektronischer Note und beatesken Konzepten. Neben Dauer-Co-Produzent Kenny Beats und Mark Bowen, der längst viel mehr als nur der Gitarrist der Band ist, konnte der unter anderem für legendäre Radiohead-Platten verantwortliche Nigel Godrich gewonnen werden. „Tangk“ bricht das musikalische Korsett endgültig auf, begleitet von Texten über Liebe, Freude und Gemeinsames.

Für das HipHop-inspirierte „POP POP POP“ erfindet Frontmann Joe Talbot ‚Freudenfreude‘ als Antithese zu ‚Schadenfreude‘ und philosophiert in einem Wortschwall über die Freude, die man ob der Freude anderer erfindet – definitiv out there, unterkühlt, beinahe industriell. Beinahe erkennt man Idles nicht wieder, die einem Computer ihr OK zu geben scheinen. Dass danach mit „Roy“ einer der ruhigsten Tracks des ganzen Albums folgt, passt ins Bild. Minimalistische Arrangierung trifft souligen Gesang, zumindest bis zum gekonnt aufbrandenden Finale. Danach setzt „A Gospel“ ein Piano-Statement im Stile von Ross / Reznor und schafft melancholisch-mitreißende Verwunderung.

Wenn es sein muss, können die Briten immer noch beherzt zulangen, wenngleich diese Momente etwas seltener werden. „Hall & Oates“, ein hibbeliger Track über Freundschaften, gelingt noch am ehesten die Verbindung zum Frühwerk mit seiner hektischen Sturm-und-Drang-Präsentation, auch das störrische „Gift Horse“ ist eine rhythmische Abrissbirne geworden, bloß um Welten düsterer und massiver angelegt. „Dancer“ wirkt wie der Übergangstrack, der Altes mit tanzbaren neuen Welten verbindet, von LCD Soundsystem im Hintergrund begleitet. Auch das Störfeuer von „Jungle“, das sich einem Rock-Sound annähert, nur um ihn schließlich in sämtliche Einzelteile zu zerlegen, bleibt hängen.

Dass „Tangk“ kein einfaches Album werden würde, war klar. Dass Idles sich derart verkopft bis unorthodox zeigen würden, überrascht schon eher. Das Quintett lässt seine Post-Punk-Wurzeln zwar nicht komplett hinter sich, löst jedoch letzte irdische Fesseln mit Gusto und verschreibt sich einem experimentellen Sound zwischen Alternative und Art, der immer wieder aufs Neue zu überraschen weiß. Weite Klangflächen, beseelter Gesang, HipHop-Einflüsse, Synthetik im Bandformat und seltene Banger finden zwar bedeutend langsamer zusammen, sind aber nicht minder schön. „Tangk“ muss man sich erst erarbeiten, vollendet die Reise der letzten Platten und schlägt zugleich ein neues Kapitel auf. Destination unknown.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 16.02.2024
Erhältlich über: Partisan Records / [PIAS] (Rough Trade)

Website: www.idlesband.com
Facebook: www.facebook.com/idlesband