Grieving – Everything Goes Right, All At Once

Grieving
(c) Luana Martignon

Manchmal tauchen Platten auf, die gefühlt schon immer da waren und doch kaum frischer sein könnten. Der Sound von Grieving aus Cambridge, die seit Jahren britische Bühnen beackern, passt perfekt in diese Kategorie. Mit ihrem Mix aus Spät-90er-Emo, klassischem Dischord-Post-Hardcore sowie nervös schrammelndem Indie und Alternative erinnern sie an zahlreiche Bands, ohne dabei ihre eigene Identität aufzugeben. Bei den famosen By Time Time It Gets Dark, die nach diesem Release wohl leider ihren Betrieb einstellen werden, landet nun der vertraute und doch so neue Erstling „Everything Goes Right, All At Once“.

Ausgerechnet das Finale bringt den musikalischen Spagat dieses Albums wohl am besten auf den Punkt. „Old Wives“ braucht eine ganze Weile, um in die Gänge zu kommen, geht in dissonanten Untiefen auf die Suche. Wonach? Das wird erst in der zweiten Hälfte klar, wenn glockenhelle Gitarren mit der launischen Spannung brechen und einen hymnischen, triumphalen Schlussakt mit Emo-Magie freilegen. Der Vorbote „Tarpaulin“ macht sich hingegen nervöse Dischord-Energie zu eigen und dockt mit seinem Post-Hardcore zunächst in Noise- und Math-Gefilden an, bevor so etwas wie Eingängigkeit ein schiefes Lächeln auf brüchige Lippen zaubert.

Den Opener muss man alleine schon aufgrund des Titels lieben. Tatsächlich zählt „Brian Emo“ zu den ältesten Songs des Quartetts und bietet Substanz jenseits des Wortspiels – eingängig wie Sau, nahezu punkig im Unterbau und verspielt genug, ums direkt ins Herz zu gehen. Dort wartet bereits „My Friend, The Ghost“, ein einfühlsames Westentaschen-Epos, dessen klirrende und klimpernde Gitarre mit dem eigenen Selbstbewusstsein ringt und damit sogar ein wenig bei Biffy Clyro andockt. Schön ist auch „Puritans (The Weight)“ mit David Jakes – ein aufbrausendes und doch zurückhaltendes Stück Musik, dessen Widerspruch beflügelt.

Es sind seltsame, gerne mal unwirkliche 40 Minuten, die massig Fragen aufwerfen und damit doch für Wohlgefallen sorgen. Grieving packen alles, was sie ausmacht, auf dieses erste Album, das man sich erst einmal erarbeiten muss. Ja, der noisige Post-Hardcore ist verdammt störrisch und kann anstrengen. Ja, die rührseligen Emo-Exkurse gehen unter die Haut, egal wie schief sie ausfallen. Ja, die hymnischen Indie- und Alternative-Momenten wirken zunächst wie Fremdkörper, die erst spät Sinn ergeben. All das macht jedoch die Faszination des exzellenten „Everything Goes Right, All At Once“ aus, dessen Gesamtheit nach etwas Anlaufzeit nicht mehr loslässt. Epische Spannungsbögen, feinsinnige melodische Momente, rohe Emotionen und ganz viel Herzblut umarmen die Seele, nur um im nächsten Moment den Mittelfinger zu zeigen. Was für ein fantastischer Erstling und was für ein Abgang für diese tolle Plattenfirma.

Wertung: 4,5/5

Erhältlich ab: 15.03.2024
Erhältlich über: By The Time It Gets Dark

Facebook: www.facebook.com/grievingband