The Chisel – What A Fucking Nightmare
Eine der wichtigsten neueren Punk-Bands der letzten Jahre meldet sich mit einem Dampfhammer zurück. 2020 aus aktuellen und ehemaligen Mitgliedern von Violent Reaction, Arms Race und Chubby & The Gang hervorgegangen, entstiegen The Chisel mit einer Handvoll Kleinformate und einem mächtigen Album schnell dem Londoner Underground. Der Mix aus Punk, Oi! und Hardcore rennt offene Türen ein und baut imaginäre Publikumsbrücken. Nunmehr bei Pure Noise angekommen, langt der Zweitling „What A Fucking Nightmare“ beherzt zu und findet den richtigen Mittelweg zwischen beißender Härte und massiven Singalongs.
Bei 16 Songs in 36 Minuten darf man sich keine Epen erwarten und wird stattdessen mit rasanter, mitreißender Atemlosigkeit beglückt. Songs wie „Vengeance Is Mine“ gehen sofort ins Ohr, sei es durch den eingängigen Chorus oder die erdrückende Abrissbirne, die rundherum geschneidert wird – verdammt wuchtig, verdammt kaputt. „Fuck ‚Em“ ist als rohes Statement zu verstehen, das nur einen Wimpernschlag von Crust-Explosionen entfernt scheint. In gerade einmal 80 Sekunden fahren The Chisel die Ellenbogen aus. Man muss nicht allen zuhören, nur weil sie glauben, eine Meinung zu haben, egal wie dämlich diese auch sein mag.
„Those Days“ spielt hingegen mit etablierten Punk-Standards und lebt von seinen fieberhaften Gitarren, die fast schon Wave-Untertöne aufweisen. Kopfüber hechten The Chisel in den Wahnsinn und reißen alles nieder, was sich gerade in den Weg stellt – es kann manchmal so einfach und so unterhaltsam sein. Als Mission Statement ist „No Gimmicks“ zu verstehen, dessen Hardcore-Einflüsse sich auf das Wesentliche besinnen. So ist der überraschende Schlussakt von „What I See“ mit erdigem Riffing und einzelner Pianonote eben nicht als Gimmick zu verstehen, sondern fügt sich mindestens so nahtlos in den Bandsound ein wie die hymnische, mitsingbare Abrissbirne „Cuts Like A Knife“.
Wer die bisherigen Chisel-Releases mochte, wird „What A Fucking Nightmare“ lieben – und, ja, es ist tatsächlich so einfach. Jeder einzelne Track macht Laune, vom Intro bis zum fast schon verspielten Finale, häufig atemlos, immer frei von der Leber weg und richtig schön massiv. Die gekonnte Melange aus Underground-Chic, räudiger Live-Attitüde und ordentlich Druck im Sound setzt dem Geschehen obendrein die Krone auf. Hier stimmt das Gesamtpaket und schüttelt dabei Hits, die keine sein sollten, aus dem Ärmel. The Chisel starten bestimmt keine Punk-Revolution, doch bringen Herz, Hirn und Attitüde in rauen Mengen mit, von starken Songs begleitet. Es kann manchmal so einfach und so unterhaltsam sein.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 09.02.2024
Erhältlich über: Pure Noise Records (Membran)
Website: thechiseluk.com
Facebook: www.facebook.com/p/The-Chisel-100092317381224