Dead Years – Night Thoughts

Dead Years
(c) Lukas Haese

Entspannung? Ruhephase? Erholung? Häufig ist Schlaf alles andere als das. Mit diesem Thema befassen sich Dead Years aus Bielefeld auf ihrem zweiten Album. Das Trio zockt geschmackvollen düsteren Post Punk mit deutlichem 80s-Einschlag, dessen raue, zugleich geschmackvolle Präsentation Urinstinkte anspricht. Nun also „Night Thoughts“, das sich mit Gedankenspielen in schlafferen Zeiten befasst, wenn Leere einsetzt, es zu spuken scheint, man sich komplett verloren fühlt – ein etwas anderes, gekommt beklemmendes Konzeptwerk mit feinen Widerhäkchen.

Alleine schon das Eröffnungsduo rechtfertigt die Anschaffung dieses Zweitlings. Nach einem kurzen Stotterstart fährt „Infinity“ urgewaltig aus den Boxen. Julias Gesang wirkt eingängig und doch auf beste Weise verstörend, die Einschübe der Mitstreiter kommen ebenso gut wie der hohe Punk-Anteil nebst schrammelnder Gitarre und schier endloser Finsternis. Danach packt „Pictures Of My Death“ eines der besten Düster-Riffs des gesamten Albums aus, nervös und eingängig zugleich, während sich das Arrangement gerne mal überschlägt und den wütenden, wüsten Refrain nach allen Reglen der Kunst zerballert. Kann man so machen, weiß zu unterhalten.

Unterdessen haben sich Dead Years schon wieder gehäutet. Das kurze, knackige „Words Collide“ ist wohl das deutlichste Punk-Bekenntnis im Post-Mikrokosmos, hibbelig und fast schon der Hardcore-Ursuppe nahe, während sich der emotionale Malstrom sukzessive öffnet. Im herrlich ausgedehnten „Just Then“ darf das Tempo etwas versumpern, während sich dichte Klangteppiche an vorderste Front arbeiten. Die Verstörung ist spürbar, die zerschossenen Melodien gehen nicht mehr aus dem Ohr. Ein paar Türen weiter wartet das herrlich schrammelige „Spoken Suddenly Unspoken“ wie eine Düster-Version der Runaways, während der abschließende Titelsong mal eben alles in einen überdimensionalen Topf wirft. Auch die Taktik geht auf.

Nicht nur die Taktik, auch das Konzept ist auf allen Ebenen ein Volltreffer. Dead Years schaffen knapp 35 kurzweilige Minuten, die in verschiedenste Post-Punk-Himmelsrichtungen ausstrahlen und daran helle bis finstere Freude finden. „Night Thoughts“ steigt in den Abyss der Ruhelosigkeit hinab und findet dort sowohl knackige Riffs als auch düster mäandernde Soundscapes, die nicht loslassen. Ein schweres zweites Album klingt mit Sicherheit anders, denn das Trio aus Bielefeld spielt sich immer wieder in einen wohlig hörbaren Rausch des feilhaltenden Maulaffens, der sich mit letzter Mühe am Baum der übermüdeten Erkenntnis anhält. Anders gesagt: Mit „Night Thoughts“ sind Dead Years drauf und dran, sich als neue Post-Punk-Macht zu etablieren.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 02.02.2024
Erhältlich über: My Ruin (Membran)

Facebook: www.facebook.com/deadyearsbielefeld