le_mol – J_LLY G__D _iME

le_mol
(c) Thomas Schnötzlinger

Starker Tobak mit Leerstellen rundet den bislang vielleicht interessantesten Releasezyklus von le_mol ab. Das Wiener Duo setzt sich mit einem instabilen Europa auseinander, das für die Kinder der 90er doppelt unwirklich erscheint, während die nächste existenzielle Krise bereits vorstellig wird. Etwas Ironie und der eine oder andere Schmunzler werden bewusst gesetzt, um nicht komplett zu zerfallen. „J_LLY G__D _iME“ fasst die beiden EPs des vergangenen Jahres zusammen, packt etwas neues Material hinzu und bringt gängige, erwartbare Post-Rock-Konventionen einmal mehr unterhaltsam an ihre Grenzen.

Einer dieser neuen Songs ist „PRDS Recompisition“ mit seltener Wortspende und prominentem Gast. Hans Platzgumer gibt sich die Ehre für dieses gekonnt eigenwillige Stück, das sich konsequent zwischen die Stühle stellt und einen klassischen Post-Rock-Aufbau mit Alternative-Einschüben, E-Drums und atmosphärischer Unruhe kreuzt. Das Rezept geht auf und sorgt für einen der besten Songs dieses Albums. Stark ist auch „Damn You! Grown Up World“, das nach einem KI-Einstieg ordentlich Synthetik einbringt und nach einem Sinn sucht, der längst abhandengekommen ist – gerne schroff und widersprüchlich angelegt.

Hingegen überrascht „Me? LOL“ mit jazziger Improvisation, mit elektronischen Loops und vermehrt psychedelischen Untiefen, die gefühlt in mehrere Richtungen gleichzeitig zerren. Da wirkt „Fun With Teeth“ im Vergleich direkt geradlinig und laut, so wunderbar laut. le_mol finden das perfekte Maß aus Rock und Technologie, lassen den Track anschwellen, während der rhythmische Part blechern und lebhaft zugleich ausfällt. Ob es angesichts des Albumkonzepts „Good Times“ überhaupt noch geben kann, darf freilich in Frage gestellt werden, doch das wohl klarste Bekenntnis zu klassischen Post-Rock-Klängen rundet die Platte super ab und überrascht mit einer metallischen Eruption.

Bewusst gehen le_mol an Grenzen und landen damit einen Volltreffer. Das wohl vielschichtigste Werk ihrer Karriere strebt nach Großem, was auch gelingt. Klassische Post-Erzählmuster, blubbernde Elektronik, konzeptuelle Schwere und geradezu schelmisches Augenzwinkern zwischendurch runden diese Releaseserie gekonnt ab. „J_LLY G__D _iME“ holt ordentlich Sarkasmus aufs Tableau und geht doch gerne mal gerade nach vorne. Hier kommt zusammen, was auf den ersten Blick nicht funktionieren sollte, und doch geradezu magischen Eindruck schindet. le_mol zeigen Krempel den kunstvollen Mittelfinger, ohne dabei auf die nötige musikalische Seele zu vergessen. Schöne Sache.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 24.11.2023
Erhältlich über: Noise Appeal Records

Website: www.lemol.at
Facebook: www.facebook.com/leunderscoremol