HEALTH – Rat Wars
In der emotional wohl schwierigsten Phase der Bandgeschichte suchen HEALTH nach neuen Wegen inmitten vertrauter Muster. Eineinhalb Jahre nach dem Abschluss ihrer „Disco4“-Serie meldet sich das Trio lautstark zurück und vertont die chaotische, zermürbende, zugleich inspirierende Erfahrung der Pandemie-Jahre auf einer Platte, die sich sogar noch weiter als zuvor hinauswagt – für eine Band, die liebend gerne mit Noise- und Industrial-Erwartungen spielt, ein Kunststück. Mehr noch, auf „Rat Wars“ geht es lauter und zugleich leiser, poppig-eingängiger denn je vor sich.
Exemplarisch dafür steht der atmosphärische Rausschmeißer „Don’t Try“, der jegliche Beat-Konzepte abstreift und Gesang neben butterweiche Synthetik aus der Echokammer stellt – melancholisch, geradezu resignierend zittert sich dieser Track voran. „Unloved“ bemüht zwar die typische Industrial-Wucht, stellt dieser jedoch ähnlich bittere Süße zur Seite und legt zwischenzeitlich erhabene Melodien frei, die gerne mal an Crystal Castles erinnern. Auch im kurzen, knackigen „Future Of Hell“ wird das Zaghafte des Seins betont, bloß mit schneidenden Gitarren à la Ministry sowie einem abschließenden beatesken Sperrfeuer der bekömmlichen Extreme.
Apropos Gitarren: Willie Adler von Lamb Of God schaut in „Children Of Sorrow“ vorbei und packt ein wütendes, geradezu schäumendes Thrash-Riff aus, das Headbanger-Ambitionieren auf butterweichen Gesang treffen lässt. Düsternis und Heavyness finden prima zusammen. Danach wagt sich „Sicko“ an ein Godflesh-Sample und taucht die Urgewalt der Industrial-Pioniere in erstaunlich aufbrausende Synthetik. Sollte das zu brav sein, wagt sich „DSM-V“ auf die Tanzfläche und kreuzt discotauglichen Electro-Pop mit abgedrehnter Intensität. Ähnlich durchgeknallt ist nur „Crack Metal“, dessen Gabber-Einschübe eigentlich nicht so prima funktionieren dürften.
Rein theoretisch sollten sich HEALTH mit dieser gerne mal (angenehm) bizarren Mixtur selbst im Weg stehen, doch wie bereits ihre letzten Platten zeigen: mitnichten! Obwohl sich „Rat Wars“ sogar noch weiter hinauswagt und beißende Thrash-Riffs neben synthetischen Finster-Pop stellt, funktioniert auch diese Armada an Gegensätzen unheimlich gut. Das konsequente Einreißen jeglicher Grenzen schreitet erfolgreich voran, sperrig und eingängig zugleich. Eine etwas andere (Anti-)Hit-Schleuder bietet hohen Unterhaltungswert, von Fragezeichen und mächtig Haltung begleitet: So stark waren HEALTH auf Albumlänge noch nie.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 07.12.2023
Erhältlich über: Loma Vista Recordings
Website: www.youwillloveeachother.com
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