Egyptian Blue – A Living Commodity

Egyptian Blue
(c) Steve Gullick

Von Foals auf Europa-Tournee mitgenommen, von Idles auf eine eigens kurierte Glastonbury-Bühne eingeladen: Bei solch prominenten Fans sind die Erwartungen an Egyptian Blue durchaus hoch. Das Quartett aus der britischen Kleinstadt Colchester in Herzen von Essex veröffentlichte zwei EPs, bevor die Welt eine Pause einlegte und das Momentum kurzzeitig einschlief. Man schrieb weiterhin Songs, dann kamen aus dem Nichts die einleitend erwähnten Live-Möglichkeiten und plötzlich ist das erste Album da. „A Living Commodity“ folgt den Post-Punk-Ansätzen der bisherigen Kleinformate und denkt diese zugleich um mehrere Ecken.

„Apparent Cause“ treibt die Bemühungen, frische Duftmarken zu setzen, auf die Spitze und reduziert den eigenen Sound auf ein Gaze-lastiges Minimum. Kaum Rhythmuselemente, nur beiläufig angeschlagene Gitarren und eine Stimme in der Echokammer tasten sich drei Minuten lang durch eine Art Nebel, den das folgende „Suit Of Lights“ aufgreift und auf Raten eskalieren lässt. Der konstante Aufbau, das Hinarbeiten auf einen Höhepunkt, die Katharsis im Schlussakt – es sind Post-Rock-Taktiken, mit denen Egyptian Blue hier arbeiten, und diese gehen absolut auf. Hier zeigt sich die Musikalität der Briten, eine spannende Zukunft wird zumindest angedeutet.

Und doch bleibt diese Platte über weite Strecken herrlich hibbelig und nervös. „Nylon Wire“ ist ein kurzes, tanzbares, verwirrt anmutendes Biest von einem Song. Konstante Aufbruchstimmung, eine präzise Zäsur und schwere Gitarrenwände reißen mit. Hingegen setzt „In My Condition“ bewusst mehrere kleine Atempausen, spielt mit Math-Mustern und entfernt sich mit der Auflösung am Ende doch nicht zu weit von den eigenen Leisten. Dort wartet bereits das sehnsüchtige „Geisha“, das mit eigenen Erwartungen anbandelt und am Ende komplett durch die Decke geht. Wieder ein paar Türen weiter tritt „To Be Felt“ einen Wellenbrecher im Geist diverser Post-Punk-Urväter los.

Diese musikalische Vielschichtigkeit fällt sofort ins Ohr und lässt nicht los. Ja, die Klang-Wurzeln von Egyptian Blue treten mehr als deutlich hervor, wachsen aber zugleich in diverse Himmelsrichtungen. Hier regiert der Spaß an der Erforschung eigener Grenzen und Möglichkeiten. „A Living Commodity“ hat weiterhin Post-Punk-Banger zu bieten, störrisch und tanzbar zugleich, sucht aber zudem nach der Weisheit in den feinen Zwischentönen. Es darf gerne leise und suchend sein, etwas melancholisch, dann wieder konsequent entstellt und massiv. Egyptian Blue erfüllen sämtliche Erwartungen auf ihrem Erstling und offenbaren schier unendliches Potenzial mit ihrem detailreichen, weltoffenen Sound.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 27.10.2023
Erhältlich über: YALA! Records / Virgin Music (Universal Music)

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