Róisín Murphy – Hit Parade

Róisín Murphy
(c) Nik Pate

Ein Album, entstanden in der Distanz und über mehrere Jahre, so präsentiert sich der neueste Streich der legendären Róisín Murphy. Die Zusammenarbeit mit DJ Koze, der in der Vergangenheit bereits am einen oder anderen Track mitwirkte, fand digital statt. Man schickte sich immer wieder Songs und Ideen zu, nahm zudem im privaten Raum auf – für Murphy ein Grund für die relativ intimen Texte, in denen sie manch ein Geheimnis und Trauma preisgibt. Zudem setzt sich die stete musikalische Evolution fort, denn „Hit Parade“ stellt sich stilistisch breiter denn je auf.

Das zeigten bereits die Vorboten, die manch eine Überraschung mitbrachten. So war „Can’t Replicate“ bereits Anfang des Jahres ein Club-Powerhouse, hier in der überlangen Version zum Banger reifend. Der drückende, technoide Ansatz mit feinsinnigem Abgang kommt gut, die Vocals flirren über dem Arrangement. Kleine Piano-Anleihen sowie etwas Rave-Power im Abgang unterhalten. Hingegen bemüht „CooCool“ absolute Smoothness, basslastig und doch so erfrischend. Die frühlingshafte Melodie bekommt Murphys stimmlichen Akrobatik-Ansätzen prima, sogar eine Prise Disco mischt mit.

Wieder eine Türe weiter überrascht „Two Ways“ mit einem lupenreinen HipHop-Beat. Raps bleiben aus, die schwerfällige Entschleunigung harmoniert dafür prima mit den entfremdeten Vocals. Stark ist auch das zurückgelehnte, dennoch fordernde „Fader“, vergleichsweise textlastig und im richtigen Moment funky – abermals mit zurückgelehntem Beat, bloß komplett anders angesetzt. „What Not To Do“ eröffnet das Album hingegen mit entschleunigter Intensität, fast schon Dub-lastig. Der kuriose, leicht avantgardistische Dance-Pop von „Hurtz So Bad“ sucht hingegen nach der Offenbarung, während „You Knew“ an frühere Club-Banger erinnert, mit etwas Relax-Chic gestreckt.

Eine knappe Stunde später regiert erst einmal das überdimensionale Fragezeichen. Róisín Murphy häutet sich musikalisch erneut, erfindet sich ein Stück weit neu und fordert den Hörer zugleich heraus. Viel Musik auf einmal, von großer Spannweite begleitet, dazu spürbare HipHop-Einflüsse, etwas weniger Pop, zudem der eine oder andere deftige Club-Banger – das hat man hinter der Überschrift „Hit Parade“ eher nicht erwartet. Macht aber nichts, denn mit etwas Geduld geht auch diese Perle durch die Decke. DJ Koze hatte hörbar Bock auf Experimente und fand darin einen dankbaren Abnehmer. Aufwühlende Lyrics mit Tiefgang runden das Happening ab – ein spannendes Werk, das die Zeitlosigkeit Murphys ein weiteres Mal eindrucksvoll unterstreicht.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 08.09.2023
Erhältlich über: Ninja Tune (Rough Trade)

Website: www.roisinmurphyofficial.com
Facebook: www.facebook.com/roisinmurphy