Weite – Assemblage
Ursprünglich wollte Ingwer Boysen ein kleines Projekt für einen Winter ins Leben rufen, holte sich die Elder-Mitglieder Nick DiSalvo und Mike Risberg sowie Ben Lubin von Lawns ins Boot. Binnen einer Woche war ein komplettes Album geschrieben, ähnlich schnell live eingespielt. Die Chemie zwischen den Musikern stimmte, und so reifte das Projekt zur kompletten Band. Weite wurde als Name gewählt und beschreibt zugleich die offenen, schier endlosen Klangflächen des Quartetts. Auf ihrem Einstand „Assemblage“ widmen sie sich rein instrumentalen Soundscapes mit Kraut- und Psych-Fokus.
Vier faszinierende Exkurse wählen unterschiedliche Schattierungen für packende musikalische Forschungsreisen. „Neuland“ beschreitet selbiges im Band-Line-up und findet mit Dringlichkeit in den ersten Neunminüter. Obwohl es in der zweiten Hälfte mit einem spannenden Riff etwas lauter und schräger wird, bleibt der Grundtenor eher entspannt und suchend. Das kann man vom folgenden „Entzündet“ eher nicht sagen. Hier täuscht der Auftakt gekonnt und führt auf eine falsche Fährte, dahinter bäumt sich eine Monstrosität auf. Weite schrauben den Härtegrad gekonnt in die Höhe und treten noisige Psych-Prog-Loops los, bevor das gesamte Arrangement im absoluten Chaos versinkt.
Im Vergleich dazu wirkt „Rope“, mit unter sechs Minuten der kürzeste Song, wie ein kleiner Einschub, scheint die Gedanken neu zu ordnen, lässt etwas Idylle einkehren. Weite tanken sich durch weiche, dennoch spannende Schleifen, die ominös auf Größeres vorbereiten. „Murmuration“ ist genau das mit seinen 14 Minuten, die dennoch wie im Flug vergehen. Zarte Klang-Experimente mit einer Pluralität erstaunlicher Melodien lullen erst einmal ein, die Gitarre erhebt sich erst spät und bricht das erwartete Solo zugunsten einer Zäsur ab. Dahinter wird es lauter, dringlicher, etwas druckvoller. Während die Rhythmusabteilung den Ausbruch probt, duellieren sich klassische Rock-Texturen.
Ganz eigen und wie von einem anderen Stern, spacig und zugleich mit beiden Beinen fest am Boden verankert: Weite lassen sich treiben und klingen zugleich, als spielten sie schon ewig zusammen. In „Assemblage“ entstehen scheinbar spontane, zugleich ausgeklügelte Konstrukte, die schrittweise ganze Songs ergeben und in diesem Spannungsverhältnis aufblühen. Das Spiel mit musikalischen Entwürfen und Ideen bekommt dem Quartett prima, erinnert an die Veteranen des Genres, in manchen Auszügen sogar an die eigenen Nebenschauplätze, und ergibt doch ein frisches Ganzes. Die Weite von Weite macht Hoffnung auf eine ähnlich offen gehaltene Fortsetzung.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 14.07.2023
Erhältlich über: Stickman Records (Soulfood Music)
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