Kim Dracula – A Gradual Decline In Morale
Die zwanziger Jahre des aktuellen Jahrhunderts sind nun auch schon wieder fast halb rum und so langsam stellt sich die Frage nach den neuen Trends dieses Jahrzehnts, abseits von diversen Retrowellen und der x-ten Aufwärmung alter Klassiker. Trap Metal, anyone? Wobei das Genre ja auch nicht mehr ganz taufrisch ist, Ghostemane, XXXTentacion, IC3PEAK oder die Suicideboys haben auch im letzten Jahrzehnt schon für Aufsehen gesorgt.
Derart konsequent wie Kim Dracula hat diesen Ansatz bisher aber noch niemand verfolgt. Die Trap-Grundlage wird bei dem 25-jährigen Australier, der bürgerlich Samuel Wellings heißt, wie selbstverständlich mit Elementen aus Nu Metal, Metalcore, Dance, Funk (Metal), Bossanova und diversen Folklore-Anleihen vermengt. Mit einzelnen Songs sorgte er bereits gehörig für Aufsehen, doch ob das schräge Konzept bei „A Gradual Decline In Morale“ auch auf Albumlänge aufgeht?
Das bisher ausschließlich digital verfügbare Debütwerk des Tasmaniers beginnt mit einem düster-symphonischen Intro. Wer nun Dimmu Borgir-esken Black Metal erwartet, wird gleich beim ersten Song „Confession“ eines Besseren belehrt. Funk Rock à la Red Hot Chili Peppers trifft hier auf elektronische Dance-Rhythmen, ehe im Refrain plötzlich Nu Metal-Bands wie Linkin Park zitiert werden. Als wäre das noch nicht genug, kommen anschließend die Trap-Wurzeln des Künstlers exzessiv zum Einsatz, ehe nochmals in Richtung Bossanova und schließlich hin zum Metalcore umgeschwenkt wird. Ähnlich abwechslungsreich fallen auch die vorab veröffentlichen, durchweg genialen Singles „Make Me Famous“, „Drown“, „Seventy Thorns“ (mit KoRn-Legende Jonathan Davis) und „Land Of The Sun“ aus. Grundsätzlich verschiedene Genres werden hier geschickt zu einem homogenen Ganzen zusammengefügt, das Ergebnis weiß dabei komplett zu überzeugen.
Auch weitere Songs, z. B. das stellenweise fast schon poppige „Superhero“, das im Intro die osteuropäische Folklore zitierende „Undercover“ sowie „Industry Secrets“ wissen durchweg zu überzeugen. Doch angesichts von gleich 20 Songs (wobei auch ein paar kurze Interludien darunter sind) haben sich leider auch einige wenige Stinker unter das hochwertige Material gemischt. Die Elektro/Indie-Ballade „Rosé“ kommt beispielsweise kaum aus dem Quark, während das Goo Goo Dolls-Cover „Iris“ bestenfalls als überflüssig zu bezeichnen ist. Diese Mankos unterscheidet Kim Draculas Debütalbum von anderen ähnlich mutig sämtliche Stilgrenzen brechenden 5 Punkte-Überwerken wie z. B. System Of A Downs „Toxicity“, welches damals zudem deutlich authentischer rüberkam, da es die armenischen Wurzeln der Band aufgegriffen hatte.
Trotz kleinerer Schwächen ist „A Gradual Decline In Morale“ aber dennoch ein überaus mutiges, horizonterweiterndes kleines Meisterstück geworden, das die Trap Metal-Grenzen deutlich erweitert bzw. diese sehr häufig auch bricht. Wenn Kim Dracula seine mutige Linie beibehält und seine Fähigkeiten noch weiter ausbaut, könnte bald etwas ganz Großes entstehen. Das Debütwerk ist aber bereits deutlich auf den Spuren möglicher baldiger Großtaten, denn immer in den mutigsten und konsequentesten Momenten ist Kim Dracula am Besten. Auch darf man nicht vergessen, dass hinter dem Album nur eine einzige Person steckt, die sämtliche Instrumente eingespielt hat und das Gesangsorgan auf variabelste Weise erklingen lässt. Das bedeutet aber auch, dass Mr. Wellings sich erst mal einige Backgroundmusiker suchen musste, damit man seine Musik auch live begutachten kann. Im Vorprogramm von Avenged Sevenfold wird dieses nun zwar erstmals möglich sein, jedoch leider nicht in Europa. Sollte Kim Dracula aber bald größerer Erfolg beschieden sein, wird sich Letzteres hoffentlich auch noch ändern.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 14.07.2023
Erhältlich über: Order of the Snake
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