Gus Dapperton – Henge

Gus Dapperton
(c) Jess Farran

Die Lockdown-Jahre waren für Gus Dapperton unerwartet spannend. Mit „Orca“ erschien ein betont ungeschöntes, introvertiertes Soloalbum, zudem landete er mit BENEE einen Überraschungshit: „Supalonely“ konnte seither mehr als eine Milliarde Streams verzeichnen und wurde mit Doppel-Platin ausgezeichnet. Nach diversen Tracks und Kolllaborationen, u. a. mit Surf Mesa, Easy Life und Foster The People, unterschrieb Dapperton bei Warner Records für sein drittes Album. „Henge“ nimmt etwas Abstand von Live-Instrumentierung und bemüht sich zugleich um konzeptuelle Kunst, die dennoch das Einzelsong-Format unterstützt.

Gefangen zwischen dem permanenten Wechsel aus nächtlicher Ausgelassenheit und Sicherheit bei Sonnenlicht, entstand eine deutlich schillerndere Platte. Opener und Finale bilden die konzeptuelle Klammer. Für „Sunset“ ließ sich Dapperton von Film-Soundtracks inspirieren und baut sorgsam eine bunte wie einnehmende Welt auf, während der Protagonist die Unterwelt Manhattans betritt. Gerade der flotte Mittelteil zählt zu den besten Pop-Momenten der gesamten Platte. Hingegen ist „Sunrise“ mehr meditative Coda. Ocean Vuong trägt ein Gedicht vor, einnehmend und unwirklich, als wäre alles nur ein Traum gewesen, während tiefer Schlaf einsetzt.

Dazwischen finden sich großartige Songs in Hülle und Fülle. „Don’t Let Me Down“ ist eine herrliche Reunion mit BENEE, ein sympathisch bunter 80s-Pop-Track, der in falschen Händen wohl cheesy geworden wäre. Hingegen überrascht „Homebody“ mit milden Funk-Einflüssen und tanzbarer Eindringlichkeit. Auch dem folgenden „The Stranger“ mit seinem dominanten Beat nebst verwaschener Melodie und Stimmgewirr kann man sich nicht entziehen – eindringlich und aufwühlend auf faszinierende Weise. In „Phases“ schwebt die Gitarre durch Soft-Rock-Sphären, der Chorus bemüht sanfte Texturen und packt die nächste starke Melodie aus, während sich „Wet Cement“ vorsichtig durch semi-balladeske Gefilde tankt.

Jeder dieser elf Tracks ist für sich meisterlich und faszinierend, nur um als Gesamtkunstwerk erst recht über sich hinauszuwachsen. Man muss die konzeptuellen Zusammenhänge nicht kennen, um „Henge“ zu genießen, doch machen sie das Album noch einen Tacken spannender und mitreißender. Gus Dappertons Entschluss, sich vom intimen, betont ungeschliffenen „Orca“-Sound abzuwenden und stattdessen auf möglichst vielfältige musikalische Stimmungen zu setzen, erweist sich als Volltreffer. Mehr noch, sämtliche Versprechen der bisherigen beiden Alben wurden endlich vollends eingelöst. 40 Minuten anspruchsvolle Pop-Magie mit Alternative-Charakter, vielschichtig und zugleich eingängig wie Sau – nun ist Gus Dapperton endgültig und verdient angekommen.

Wertung: 4,5/5

Erhältlich ab: 07.07.2023
Erhältlich über: Let Me Know Records / Warner Records (Warner Music)

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