Motorpsycho – Yay!

Motorpsycho
(c) Terje Visnes & Espen Haslene

Eine gewisse Unvorhersehbarkeit gehört bei Motorpsycho zum guten Ton. Die Psych- und Prog-Großmeister überraschen mit wachsender Begeisterung. Selten weiß man vorher, was passieren wird, und dennoch kommt der neueste Streich immer unerwartet. In klassischer Duo-Nukleus-Formation mit gelegentlicher rhythmischer Unterstützung wirft man jeglichen Ballast von Bord und legt zehn poppige Folk-Perlen mit etwas psychedelischem Unterbau vor. Man wollte etwas zulassen, hieß es vorab, sich ausnahmsweise vergleichsweise konventionellen Mustern widmen. Und doch klingt „Yay!“ alles andere als abgeschmackt oder gar anbiedernd.

Bereits das vorab ausgekoppelte „Patterns“ machte das überdeutlich. Ja, die feinsinnigen, warmen Gesangsharmonien nebst semi-akustischer Instrumentierung fallen aus dem Rahmen, tragen das Arrangement jedoch auf spannende Weise. Immer wieder setzt das Schlagzeug ein, zum Abschluss gibt es sogar ein E-Gitarren-Solo mit 70s-Querverweis. Zumindest etwas Motorpsycho-DNA bleibt erhalten, man will ja nichts übers Knie brechen. Songs wie „Loch Meaningless & The Mull Of Dull“ erinnern hingegen an die britischen Folk-Großmeister längst vergangener Dekaden, verlassen sich auf minimalste Instrumentierung mit einem Hauch Percussion, schweben über den Dingen.

Im abschließenden „The Rapture“ wird es zumindest zwischenzeitlich laut, die letzten Minuten könnten von einer klassischen Motorpsycho-Platte stammen. Ein komplettes Psych-Fest darf man jedoch nicht erwarten, ebenso wenig im überlangen „Hotel Daedalus“. Hier braust der Mittelteil zwar gewaltig auf und glänzt durch rockende Dramaturgie, ist aber hörbar in den 60ern und 70ern verankert, wie der sonnig-folkige Schlussakt zeigt. „Cold & Bored“ klingt anders, als es der Titel vermuten lässt, kniet sich tief in diese neuen Soundscapes und tänzelt mit einem verschmitzten Lächeln über Blumenwiesen.

Ja, das sind tatsächlich Motorpsycho, auch wenn man das über weite Teile des Albums kaum glauben kann. Obwohl man bewusst eingängigere Klänge zulässt, geht es eben nicht um Radio-Charme oder Pop-Weisheiten. Selbst in folkigen Gefilden ziehen die Norweger konsequent ihren eigenen Stiefel durch, brechen in seltenen Momenten aus der Reduktion aus, schlagen jedoch zu keiner Zeit über musikalische Stränge. Das bekommt ihnen sehr gut, denn obwohl „Yay!“ im besten Sinne aus dem Rahmen fällt, macht dieser Gehversuch Laune und bleibt sofort im Ohr. Motorpsycho wagen und gewinnen, konventioneller denn je.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 16.06.2023
Erhältlich über: Det Nordenfjeldske Grammofonselskab / Stickman Records (Soulfood Music)

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