Therapy? – Hard Cold Fire
Mit Fug und Recht lassen sich Therapy? als Rock-Institution bezeichnen. Die Nordiren erlebten ihren großen Durchbruch in den 90ern, backen seither zwar kleinere Brötchen, können aber auf eine überaus loyale Fangemeinde bauen und ringen ihrem Sound auch nach über drei Jahrzehnten immer noch frische Facetten ab. Während das im September 2018 erschienene „Cleaver“ schwerfällig ausfiel und mit an Sludge angelehnten Riffs überraschte, sollte der Nachfolger etwas hooklastiger und empathischer ausfallen. „Hard Cold Fire“ machte einen bewussten Bogen um das mittlerweile längst auserzählte Lockdown-Album-Format und vermischt stattdessen Wucht mit gelegentlicher Euphorie.
Ein Doppel in der zweiten Albumhälfte bringt diesen geballten Elan wunderbar auf den Punkt. „Mongrel“ watet zunächst durch drückende, bleierne Heavyness, nur um am Höhepunkt einen Refrain mit beißender Hook und punkiger Energie auszupacken – kurz, charmant und unterhaltsam, während der Rest gerne mal an grantige Großtaten früherer Jahre erinnert. Das folgende „Poundland Of Hope And Glory“ trägt nicht nur einen grandiosen Titel, sondern brennt sich binnen Sekunden ein. Hier arbeiten Therapy? auf einen Hit zu, der sich dennoch keinesfalls aufdrängt. Das erinnert schon mal an energische Feeder, während die Distortion weiter zunimmt.
Starke Tracks gibt es auf dem mittlerweile 16. Studioalbum so und so in Hülle und Fülle. „They Shoot The Terrible Master“ eröffnet die Platte unruhig und getrieben, spielt mit vertrauten Noise-Frotzeleien und findet doch selbst in peitschenden, metallischen Momenten eine kleine Melodie. Hingegen singt sich „Joy“ erst einmal ein, bevor die restliche Instrumentierung hinzukommt und die Schwerfälligkeit der 90er auf den nächsten mächtigen Chorus treffen lässt – kurz, prägnant und nervös zugleich. Der Abgrund ist nah, wenngleich „Days Kollaps“ mit getragenem Tempo und dichten Texturen sogar den Weichzeichner zückt – natürlich für Therapy?-Verhältnisse, versteht sich.
Nach einer guten halben Stunde ist schon wieder Schluss, natürlich viel zu früh. Und doch liefern die Nordiren erneut auf den Punkt ab. „Hard Cold Fire“ ist ein Album ohne ein Gramm Fett zu viel, das stellenweise wie ein Streifzug durch die Karriere von Therapy? anmutet, ohne jedoch Nostalgie oder gar Wiederholungswahn zu verfallen. Hooklastiger Rock hier, metallische Intensität da, pulsierende Riffs und etwas Noise zum Drüberstreuen, fertig ist der jüngste Leckerbissen. Mit leicht verschobenem Ansatz und weiterhin fantastischem Songwriting können Therapy? einfach nichts falsch machen – eine echte Größe, die immer besser zu werden scheint.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 05.05.2023
Erhältlich über: Marshall Records (Bertus)
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