Wednesday – Rat Saw God

Wednesday
(c) Zachary Chick

Die überaus umtriebigen Wednesday werfen schon wieder neues Material ab, zum ersten Mal für ihr neues Zuhause Dead Oceans. Schroffe und zugleich bezaubernde Klanglandschaften zwischen Shoegaze, Grunge und Alternative mit Country-Twang sowie kleine Kurzgeschichten als Lyrics machten das Quintett aus North Carolina binnen kürzester Zeit zu Kritikerlieblingen. Ihre Musik hat das Zeug zu mehr: „Rat Saw God“ wagt sich noch eine Spur weiter hinaus und taucht betont tief in die gerne mal widersprüchliche Welt des amerikanischen Südens ein.

Mit ihren ersten beiden Songs loten Wednesday gleich Extreme aus, und das mit mitreißendem Gusto. In gerade einmal eineinhalb Minuten pflügt sich „Hot Rotten Grass Smell“ durch das Geschehen, möglichst laut und widerspenstig, heult gewaltig auf und verläuft sich im Sand. „Bull Believer“ im direkten Anschluss dauert dafür achteinhalb Minuten und strapaziert das Nervenkostüm auf bezaubernde Weise. Karly Hartzmans Stimmakrobatik bewegt sich in brüchigen Gefilden, auch das Arrangement sackt laufend in sich zusammen, eskaliert in überlauten Schleifen und führt minutenlang durch eine Art fordernde Sinnsuche, bevor das Geschehen noisig explodiert.

In „Turkey Vultures“ kommen Gaze und Alternative prima durch, mit beiläufigem 90s-Flair garniert und voller Charme. Poppige Untertöne und nervöse Energie in den Stimmbändern suchen nach Aha-Momentum, die beinahe punkige Schlussminute hat genau das im Überfluss. Hingegen besinnt sich „TV In The Gas Pump“ auf Reduktion, auf zögerliche Töne, hoppelt durch eine weitere kleine Geschichte und ebbt plötzlich ab. Das lautmalerische, dreckige „Bath County“ langt kräftig zu. Der Schalk lacht aus dem Nacken, das aufbrausende Finale nimmt nicht zum letzten Mal dezente Grunge-Vibes mit.

Nervöse, weltoffene Starrsinnigkeit begleitet ein weiteres Album der Widersprüche. Man weiß nicht so recht, wo man bei „Rat Saw God“ anfangen soll, so überfordernd und überwältigend gibt sich dieser neueste Wednesday-Streich. Noch mehr Dreck, noch mehr Netz und doppelter Boden geben sich eine Art imaginäre Klinke in die Hand, von betont störrischen Vocals begleitet. Kann Eingängigkeit noch ablehnender ausfallen? Wednesday verschließen sich mit wachsender Begeisterung und legen zugleich ihr Innerstes offen für eine kaputte und zugleich harmoniebedürftige 90s-Platte. Im konstanten Paradoxon wird es magisch und einladend – ein neues Highlight für das US-Quintett.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 07.04.2023
Erhältlich über: Dead Oceans (Cargo Records)

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