City And Colour – The Love Still Held Me Near

City And Colour
(c) Vanessa Heins

Der Tod zweier guter Freude, das Beinahe-Scheitern seiner Ehe und eine Welt, die urplötzlich ihre Pforten schloss: 2020 wurde Dallas Greens Universum auf den Kopf gestellt, und dann wurde er auch noch 40. Was sich wie die Zutaten einer Midlife-Crisis liest, entwickelte sich letztlich zum Quell für Stärke und Inspiration. Nicht nur, dass Alexisonfire endlich zurückkehrten, auch der Soloschauplatz City And Colour blühte trotz aller Widrigkeiten auf und befasste sich gekonnt mit elementaren Fragen über Trauer und Verlust. „The Love Still Held Me Near“ hält fast, dass Liebe selbst in den schlimmsten Momenten Schutz, Trost, Geborgenheit und Zusammenhalt geben kann.

Das eröffnende „Meant To Be“ legt das Innerste offen, unter anderem vom Ertrinkungstod von Greens langjährigem Freund, City And Colour-Produzent und -Ingenieur Karl Bareham, inspiriert. Die schwere, beklemmende Nummer trägt die Trauerarbeit in jeder Silbe und versucht sich mit einer neuen Realität ohne einen geliebten Menschen auseinanderzusetzen. Deutlich kraftvollere Gitarren und nervöse, zugleich bestimmte Texturen bekommen dem Gesamtbild gut. Worum es in „Fucked It Up“ gehen könnte, verrät bereits der Titel. Die beschwingte Süße mit großem Gitarrensolo setzt einen sympathischen Gegenpol.

Überhaupt weiß die stilistischte Bandbreite dieser Platte zu faszinieren. „The Water Is Coming“ trägt stellenweise leichte Americana-Züge in sich, marschiert forsch und flott voran, nimmt sich aber auch Zeit für weiche Zwischentöne und eine weitere komplett überdrehte Gitarre. „After Disaster“ zittert sich durch das Danach, trägt ein gewisses Maß an Blues in sich, kreuzt Fragilität mit entschiedener Bestimmtheit, während „Underground“ Folk- und Singer/Songwriter-Ansätze ins zuweilen Poppige umdeutet. „Bow Down To Love“ könnte als Motto für dieses Album durchgehen, wächst über sich hinaus und findet zum nächsten monumentalen Finale.

Zugegebenermaßen wäre es auch etwas kürzer und kompakter gegangen, doch liegt das offenkundig nicht in der Natur von Dallas Green. Seine Musik muss atmen können, stetig wachsen und gedeihen. Das gelingt mit „The Love Still Held Me Near“ tatsächlich, denn die Songs lassen sich im besten Sinne treiben, finden immer wieder zu feinen Höhepunkten, zu essenziellen Erkenntnissen, zu zentralen Weisheiten. City And Colour klangen selten so rockig und vielschichtig, ohne sich auch nur irgendwo zu verbiegen. Zudem bleibt viel Raum für Greens bewegende Lyrics, mit denen er endgültig ins Leben zurückkehrt. Und zwar mehr als erfolgreich.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 31.03.2023
Erhältlich über: Still Records / Dine Alone Records (Membran)

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