Young Fathers – Heavy Heavy

Young Fathers
(c) Jordan Hemingway

Zurück zu den Wurzeln, diese Devise gaben Young Fathers für ihr viertes Studioalbum aus. Seit dem Release von „Cocoa Sugar“ vor knapp fünf Jahren war viel passiert, die Band spricht von ‚langen, verrückten Jahren‘, die alles andere als spurlos am Trio aus dem schottischen Edinburgh vorbeigingen. Keine externen Produzenten, nur ein Mini-Heimstudio mit ein paar Geräten und Mikrofonen, so entstand eine Ode an das Überleben, an den Exzess der Existenz. „Heavy Heavy“ setzt sich mit den eigenen Dämonen auseinander und findet darin die Kraft für das Morgen und Übermorgen.

Die rohe, wilde Energie der Anfänge zieht sich durch alle zehn Tracks. „Rice“ lässt sogleich alle Dämme brechen. Nach dem anfänglichen Limbo geht die Sonne auf, Neo-Soul und Gospel halten Einzug in die HipHop-Garage, die fragile Unterbrechung ebnet den Weg für eine ausgelassene Party. Hier setzt „I Saw“ an, das Nervenkostüm gespannt, mit einer der besten Basslines des gesamten Albums ausgestattet. Für die fantastischen Vocals wollen gleich mehrere Lanzen gebrochen werden. Der eingangs erwähnte Exzess ist hier, zwischen Sing- bzw. Screamalongs und beseeltem Gesang werden Welten erschlossen.

Natürlich bleiben Young Fathers experimentell veranlagt und klatschen alles an die Wand. Ist „Ululation“ ein Song oder eine semi-instrumentale Klangcollage? Egal, denn zwischen Synthetik, World Music und Indietronica türmt sich Spektakuläres auf. Auch „Be Your Lady“ will eigens erwähnt werden, denn in gut drei Minuten geht es von einer Art Piano-Ballade über finstere Deepness mit versetzten Beat bis hin zum verspielten, überdrehten Crescendo, das beide Welten zusammenführt. „Tell Somebody“ watet stellenweise knietief im Synthie-Pop, was prima klappt, wobei der Aufbau hin zur Ekstase durchaus Post-Rock-Züge in sich trägt.

Komplette Überforderung als charmanter Kunstgriff, das beherrschen Young Fathers wie nur wenige andere Acts. „Heavy Heavy“ ist unfassbar überdreht, wildert überall und nirgendwo, findet erst nach dem einen oder anderen Durchlauf zusammen. Tatsächlich stört das nicht im Geringsten, sondern bricht das ohnehin bestenfalls als schmuckes Beiwerk gesehene Songformat weiter auf denn je. Young Fathers erweitern ihren Sound noch einmal und profitieren zugleich vom Lo-Fi-Witz ihrer reduzierten Studio-Ausrüstung. Das Trio feiert das Leben, tankt sich aus dem Tief der langen Pause, lebt und liebt alles – was für eine Tour de Force.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 03.02.2023
Erhältlich über: Ninja Tune (Rough Trade)

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