Orbital – Optical Delusion
Seitdem sie nach langer Pause wieder zusammengekommen sind, funktionieren Orbital wie eine gut geölte Maschine. Die Zeitlosigkeit der frühen Rave- und Acid-House-Veteranen macht ihren Dance-Sound auch nach über 30 Jahren noch unwiderstehlich, und so setzt es nun eine neue Platte – ihr bereits zehntes reguläres Studioalbum. Zwischen Zeitgeist, psychologischer Eigentümlichkeit und dem konsequenten, vollständigen Eintauchen in eine surreale Welt bringt „Optical Delusion“ einmal mehr Altes und Neues auf gekonnte, elektrisierende Weise zusammen.
Eines der großen Highlights eröffnet die Platte, nämlich „Ringa Ringa (The Old Pandemic Folk Song)“. Zu pumpenden, ikonischen Orbital-Sounds mit dezenten Breakbeat-Untertönen stimmen The Mediæval Bæbes, ein Mittelalter-Folk-Kollektiv, ein altes Kinderlied über die Pest an, dessen Text wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge zur Pandemie passt. Zwischen überschäumender Elektronik und zarten, fast schon ätherischen Stimmen entsteht pure Magie. Eine andere starke Stimme gehört Dina Ipavic, die zum treibenden, stellenweise schrillen „Day One“ butterweiche Vocals beisteuert. Zeitweise glaubt man eher an den Gesang einer Chicane-Nummer, bloß in einem ganz anderen musikalischen Umfeld.
Die Sleaford Mods sind bestimmt die bekanntesten Gäste auf dieser Platte. Aus „Dirty Rat“ wird ein knüppelharter Monolog über kleinkarierte, bösartige und beängstigende Briten, deren Wut sich nun gegen alle richtet, die irgendwie ‚anders‘ und ’nicht britisch genug‘ sind. Forscher Techno, wütende Verse und fast schon punkiger Esprit geben sich die sprichwörtliche Klinke in die Hand. Zur Auflockerung reicht „The New Abnormal“, einer der seltenen Solo-Momente, ein recht lockeres und fluffiges Arrangement mit Rave-Ursuppe. Penelope Isles drückt „Are You Alive?“ ihren ureigenen Stempel auf. Das tut Anna B Savage in „Home“ ebenso, bloß deutlich lauter, beseelter und dominanter – eine weitere spirituelle Erfahrung, bei der sogar der Beat in den Hintergrund rückt.
Souverän gehen Orbital ihren Weg, greifen auf Vertrautes zurück und entwickeln ihren Sound doch konsequent weiter, so wie sie es eigentlich immer schon getan haben. „Optical Delusion“ ist somit eine typische Platte für das Duo, betont abwechslungsreich und vielschichtig, von zahlreichen spannenden und überwiegend (noch) weniger bekannten Gästen begleitet, retro und modern, tanzbar und gerne mal intellektuell. Die Hartnoll-Brüder schreiben elektronische Musik jenseits vorhersehbarer Klischees und öder Monotonie, auch in ihren 50ern. Auf dass sie noch lange so weitermachen mögen.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 17.02.2023
Erhältlich über: London Recordings (AL!VE)
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