Margo Price – Strays
Die Suche nach dem eigenen Sound, der eigenen Stimme, nach Selbstbestimmung – für Margo Price ist die selbstbewusste und zugleich fragile Präsentation ein zentraler Ankerpunkt ihrer Musik, die sich in den letzten Jahren deutlich veränderte. Ursprünglich als Country-Hoffnungsträgerin gestartet, ging es zuletzt stärker in Richtung Rock. Davon will „Strays“ jetzt noch mehr. Price baut sich selbst wieder auf, sagt ihren Dämonen den Kampf an und geht unverblümt mit diesen um. Quasi im Vorbeigehen entsteht ihr bislang bestes Album.
„Been To The Mountain“ eröffnet die Platte mit einer Kampfansage. Es ist der Auftritt einer Künstlerin, die sich endlich frei fühlt. Gerade der dezent psychedelische Ansatz, den Price unbedingt mitnehmen wollte, bekommt dem erdigen Rocker gut – zeitlos, mächtig und unheimlich kraftvoll. Eine andere Form von Rebellion drückt „Radio“ aus. Hier geht es recht deutlich darum, dass sich die Protagonistin nicht verbiegen, nicht in irgendwelche Schablonen pressen lassen will. Gemeinsam mit Sharon Van Etten entsteht ein eingängiges Stück Musik, das freilich ein wenig Country mitbringt, derlei Ansätze jedoch gekonnt modernisiert.
Am anderen Ende des Albums wartet ein weiterer bemerkenswerter Exkurs. „Lydia“ ist weniger Song als Stream of Consciousness, eine gut sechsminütige Geschichte über eine Frau, die plötzlich schwanger wird, ihr Kind aber nicht großziehen kann. Diese minimalistisch instrumentierte, folkige Nummer wagt sich tief in die menschliche Psyche vor und erreicht ein neues Storytelling-Level. Auch „Country Road“ hat etwas zu sagen, bloß eine Spur konventioneller präsentiert. Der lässige Mix aus Country, Classic Rock und Americana fließt sechs Minuten lang vor sich hin und macht Laune. Mit dem verschwitzten, stellenweise geradezu bluesigen „Change Of Heart“ entdeckt Price zudem eine weitere neue Rock-Facette für sich.
Ein Freischwimmer-Album später steht Margo Price mehr denn je auf eigenen Beinen. Keinesfalls will sie sich gänzlich von ihren Country-Wurzeln lossagen, keinesfalls ist sie eine pure Rock-Künstlerin geworden, keinesfalls schreibt sie nur noch psychedelische Tracks. Die sprichwörtliche Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte und unterhält. Mehr noch, auf „Strays“ zeigt sie sich – mehr denn je – als exzellente Songwriterin, die speziell mit „Lydia“ an die alte Garde der Outlaws erinnert und diesem Ansatz zugleich ihren eigenen Stempel fest aufdrückt. Margo Price legt ihr bislang bestes Album vor und demonstriert zudem eindrucksvoll, dass da definitiv noch mehr gehen kann.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 13.01.2023
Erhältlich über: Loma Vista Recordings / Concord Records (Universal Music)
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