Klimaforandringer – Mørket på solens krop

Klimaforandringer
(c) Henrik Pultz-Melbye

Was verleitet eine Band aus dem hohen Norden dazu, sich mit Afrobeat und Afro-Rock zu befassen? Klimaforandringer aus Kopenhagen verpassen ihrem Sound ein internationales Flair, das zusätzlich Psychedelic, Kraut, Prog, Desert und Wave mitnimmt, um zumindest ein paar weitere Anhaltspunkte zu liefern. Das dänische Sextett veröffentlichte bislang zwei kurzweilige Platten und touren mit wachsender Begeisterung, wenn sie nicht gerade bei diversen anderen Projekten – u. a. Svin, Under Byen und Bisse – eingespannt sind. „Mørket på solens krop“ drückt seinen Unmut über globale Missstände aus.

In zwei aufeinanderfolgenden überlangen Songs reizen die Dänen ihren Sound aus. „Mælkevejen“ lässt Khruangbin mit Can kollidieren, was zumindest theoretisch nicht funktionieren sollte. Ordentlich Hall auf den Vocals, vollständige psychedelische Entfremdung und ein leicht verwaschenes, dennoch klares Klangbild verwirren gekonnt. In „Misere“ scheint zunächst wenig zu passieren. Leicht wirr plätschert das Ding voran, die Kopfstimme wirkt kurios. Dann, aus dem Nichts, taucht ein infernaler Synthesizer auf, der wie ein überdimensionales Störsignal etwaige Afro-Rock-Einflüsse komplett zersetzt.

Während das gewiss Musik für Fortgeschrittene ist, an die man sich erst heranarbeiten muss, glänzt der Auftakt durch zurückgenommene Zugänglichkeit. Eigentlich würde man „Vår“ deutlich tanzbarer erwarten, doch nehmen sich Klimaforandringer just vor dem vermeintlichen Höhepunkt zurück und wippen dem Trip entgegen. Keine Sorge, „Holder i min favn“ ist dezent funky, beatesk und groovt wie Sau. Schnell hat das Sextett seinen Vibe gefunden und zieht diesen konsequent durch. Auch das herrlich wilde und zugleich geordnete „Menneskelig“ beherrscht diesen Spagat prima. Wie hier etwaige Afrobeat-Ansätze sukzessiv zerlegt und in psychedelische Grenzerfahrungen umgedeutet werden, unterhält.

Ja, „Mørket på solens krop“ ist eine kuriose Platte geworden, aber das stört nicht im Geringsten. Die eigenwillige Afro-Rock-Interpretation durchlebt unzählige Metamorphosen, sucht nach dem idealen Ausdruck seiner selbst und entkommt dabei der eigenen Deutungshoheit. Klimaforandringer spielen mit World-Music-Ansätzen und nehmen diese auf eine gewaltige Reise mit. Komplexe, schräge Psych-Welten und unzählige kleine Überraschungen erzeugen ein kompaktes wie kurioses Gesamtwerk, in das man am besten kopfüber hineinspringt. Hier lässt man sich fallen und treiben, von aufregendem Kopfkino begleitet – vielleicht ihre bislang beste Platte.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 27.01.2023
Erhältlich über: Mom Eat Dad Records

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