Ghost Woman – Anne, If

Ghost Woman
(c) Ghost Woman

Ob solo oder nicht, wenn Evan Uschenko zur Gitarre greift, wird es magisch. Das galt bereits vor einem halben Jahr, als er sein erstes Album als Ghost Woman veröffentlichte. Der Retro-lastige Sound mit Folk-, Alternative- und Kraut-Noten funktioniert zumindest auf der Bühne als Band, begleitet von allerlei langjährigen Mitstreitern – seiner kreativen und romantischen Partnerin Ille van Dessel (Poolface) an den Drums sowie Nick Hay an sämtlichen Saiteninstrumenten. Von Performances und neuen Erfahrungen bestätigt, soll „Anne, If“ nun etwas deutlicher und genauer demonstrieren, was Ghost Woman eigentlich ausmacht.

Wie sich „Broke“ über eine gleichermaßen elektrische und elektrisierende Gitarre in den eigentlichen Opener hangelt, macht Laune. Der Song gibt sich klassisch und modern zu gleichen Teilen, abgehangen und treibend – gekonnt aus der Zeit gefallen und von betonter Lässigkeit angetrieben. Uschenko selbst scheint sich weit zurückzulehnen und lässt den Song die ganze Arbeit machen – ein magischer Sog, so kurzweilig wie treibend. Auch „Arline“ entpuppt sich als eindringliches Happening, sogar noch weiter reduziert und etwas mit Americana flirtend – nicht zum letzten Mal auf dieser sympathischen zweiten Platte.

Es gibt aber ebenso wieder krautig-psychedelische Exkurse, darunter das packende, letztlich jedoch viel zu kurze „Street Meet“. Die motorisierende Arrangierung bricht nichts übers Knie, marschiert nach vorne, wirkt maschinell und fast schon tanzbar, dabei aber überaus organisch. Spannend gestaltet sich außerdem „Lo Extraño“, das mehr und mehr in Richtung Americana und Western abtaucht, von Uschenkos mittlerweile etatmäßigen Indie-Folk-Ideen begleitet – eine Nummer im steten Fluss, mitten aus den Plains. „Tripped“ ist quasi die E-Gitarren-Antwort darauf, so kurz wie prägnant umgesetzt.

Tatsächlich funktioniert sie wunderbar, die angekündigte musikalische Weiterentwicklung. „Anne, If“ zeigt eine etwas andere Band (?), die dennoch nicht alles umschmeißt. Vielmehr präsentieren sich Ghost Woman um Welten organischer und harmonischer, wie eine kreative Einheit, die verschiedenste Ideen und Möglichkeiten deutlich konzentrierter auslotet. Mehr Americana und weniger Kraut, so oder so ähnlich könnte das Motto dieses von vorne bis hinten unterhaltsamen Zweitlings lauten. Bloß ein halbes Jahr nach dem bereits unterhaltsamen Einstand sorgt Uschenko für frischen Wind der besonders charmanten Art – hoffentlich ein Anhaltspunkt für die Zukunft dieser sympathischen Formation.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 20.01.2023
Erhältlich über: Full Time Hobby (Rough Trade)

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