Chäirwalk – Drüber

Chäirwalk
(c) Florian Dannenberg

Elf Jahre sind ne lange Zeit, doch da stehen Chäirwalk drüber. Von schlechten Wortspielen mal abgesehen: Auf Platte gab es von den drei Hamburgern seit „Top 10“ leider herzlich wenig zu hören, was sich nun ändern soll. In Eigenregie gibt es ein neues Album, das sich zwar keinesfalls von den Wurzeln entfernen, diese jedoch umdenken möchte. Härter, aggressiver, persönlicher, unbequemer – so oder so ähnlich gestaltet sich der drückende Stoner- und Alternative-Mix der Nordlichter nun. Der Name des Unterfangens: „Drüber“.

Der ausgedehnte Opener nimmt keine Gefangen und zeigt, wohin die Richtung nun geht. Kein Leider, kein Kotzen, dafür „Alles also nichts“ – die furztrockene Präsentation nebst beißender Heavyness kommt gut, auf das Wesentliche reduziert und so kauzig wie menschenmöglich umgesetzt. Nach wie vor wird (überwiegend) auf Deutsch gesungen, doch gestaltet sich die Angelegenheit deutlich roher, wie konzentrierte GEIST. Eine kleine Hook schimmert im Refrain durch, das war es aber auch schon: Bratende Härte und klare Worte diktieren das Geschehen.

Auch in aller Kürze bleiben Chäirwalk eine Macht. „Hasspaket“ gestaltet ein bluesiges Riff erfolgreich um und lässt den sprichwörtlichen Schweiß von der Decke tropfen, während das mit einem kräftigen Augenzwinkern versehene „Ich wie du“ sich wunderbar in seinem eigenen Wahnsinn verbeißt. Hingegen spuckt „Lecker los“ ein mörderisches Riff aus. Der ganze Track riecht verdammt stark nach den 90ern, von höllischen Abfahrten und Anti-Hooks geprägt. Schlagzeug und Bass wirken hier besonders mächtig. Schließlich bemüht „Ins Leere“ ein weiteres Mal die Überlänge, sehr gefühlvoll und düster. Semi-balladeske Ansätze treffen auf die emotionale Last des Seins und legen das Seelenleben mit einer Machete offen.

Angenehm anders und erdrückend gestaltet sich das erste Album nach viel zu langer Pause von Chäirwalk, und das geht absolut in Ordnung. Statt Stillstand setzt es Retro-Heavyness, die aktuell zum Zeitgeist passt, begleitet von schwerfälliger Intensität, Riffgewalt und gewohnt pointierten Zeilen. „Drüber“ steht nicht über den Dingen, sondern steckt knietief in abgeklärten Befindlichkeiten und spielt sich davon frei. Zwischen Stoner-Gitarren, Alternative-Attitüde und Noise-Rock-Resten erweisen sich die Hamburger als Institution, die man gerne zurück weiß.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 11.11.2022
Erhältlich über: Eigenvertrieb

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