Sorry – Anywhere But Here

Sorry
(c) Iris Luz

Der Ton im frischen, unschuldigen London ihres ersten Albums ist deutlich rauer geworden: „925“ war ein mehr als gelungener Einstand für Sorry, die sich ihrem eklektischen Mix aus Alternative, Pop, Soul und Electro vor allem von synthetischer Seite näherten. Nun, da sich die sprichwörtlichen Wolken verfinstert haben, reflektiert auch der Sound die deutlich bedrückendere Szenerie. So bemüht sich „Anywhere But Here“ um organische Live-Qualitäten, um neue Direktheit und um eine gewisse Melancholie, beeinflusst von einer Welt, die zwar nahezu gleich aussieht, sich aber irgendwie anders anfühlt.

„There’s So Many People That Want To Be Loved“ trägt die nüchterne wie erschütternde Betrachtung über eine zaudernde, zunehmend isolierte Gesellschaft bereits im Namen. Der stärkere Fokus auf die Gitarre, begleitet von Asha Lorenz‘ herrlich entspannter, eindringlicher Stimme kommt gut. Ein gewisser Art-Fokus begleitet das Geschehen, ebenso der Elan von 70s-Songwritern. Deren Düsternis und Präsenz reflektiert beispielsweise „Hem Of The Fray“, das rhythmisch mit Verzögerung anrollt und eine schlichte Idee in aller Post-Kürze abfrühstückt – ein simples, leicht entstelltes und doch so aufwühlendes Statement mit Nachdruck.

Hingegen eröffnet „Let The Lights On“ das Album erst einmal mit ein paar Störsignalen und einem treibenden Basslauf, deutet einen Abstecher in Post-Punk-Territorium ab und findet doch wieder zur druckvollen wie schmeichelnden Mitte. Hier kommt der deutlich organischere Ansatz der Band wunderbar durch, es geht nicht mehr alleine um Synthetik. Der „Key To The City“ würde auch als Post-Dubstep- oder Drum’n’Bass-Track wunderbar funktionieren, kriegt bei den neuen Sorry aber Art-Pop/Rock-Schlagseite, was in der finsteren Beiläufigkeit ebenso prima funktioniert wie das blubbernde, verspielte und doch niedergeschlagene „Step“, ein Sammelsurium der Emotionen.

Tatsächlich konnten sich Sorry höchst erfolgreich weiterentwickeln und steuern nun neue, zugleich vertraut anmutende Ufer an. Es ist ein Bruch mit Stil, kein Stilbruch, den „Anywhere But Here“ mit wachsender Begeisterung vollzieht. Das Quartett konzentriert sich mehr auf die Instrumentierung, auf etwas beklemmendere Stimmungen sowie die angekündigte Live-Situation, denn weite Teile dieser Platte atmen die Bühnen-Ästhetik. Zudem weckt die zweite Sorry-Platte das Kopfkino aus dem Tiefschlaf und lässt ein karges, nebeliges London vorbeiziehen, das sich auf einen sehr kalten Winter vorbereitet. Sorry not sorry für diesen bezaubernden, hypnotisierenden Realismus.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 07.10.2022
Erhältlich über: Domino Records (GoodToGo)

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